Samstagsmütter fragen nach „Verschwundenen“ aus Izmir

Auch in Zeiten von Corona demonstrieren die Samstagsmütter gegen die staatliche Praxis, Menschen in Gewahrsam zu ermorden und die Leichen verschwinden zu lassen – wenn auch virusbedingt nicht auf der Straße.

Vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie führt die Initiative der Samstagsmütter ihre wöchentlichen Mahnwachen gegen die staatliche Praxis, Menschen in Gewahrsam zu ermorden und die Leichen verschwinden zu lassen, momentan nicht auf der Straße durch. Stattdessen streamen die Frauen ihre Aktionen live in den sozialen Medien.

Thematisiert wurde bei der heutigen, mittlerweile 783. Aktion der Samstagsmütter, das Schicksal von Neslihan Uslu (30), Metin Andaç (46), Hasan Aydoğan (24) und Mehmet Ali Mandal (40). Die vier wurden am 31. März 1998 im Urlaubsort Çeşme-Alaçatı in der westtürkischen Provinz Izmir festgenommen. Bemühungen ihrer Angehörigen und Anwälte, des Menschenrechtsvereins IHD, von Amnesty International und sogar der UN-Menschenrechtskommission um die Aufklärung ihres Schicksals blieben erfolglos. Die türkischen Behörden leugneten, sie in Gewahrsam genommen zu haben.

Mehr als ein Jahr nach dem Verschwinden der Vier, im Juli 1999, legte Turan Ünal, ein zwischenzeitlich inhaftiertes Mitglied der Konterguerilla JITEM, dem informellen Geheimdienst der türkischen Militärpolizei, ein schockierendes Geständnis ab. Als Angehöriger des „Team 03“ gab Ünal im Gefängnis von Çankırı in Ankara zu Protokoll: „Wir haben die Vier festgenommen und nach Foça gebracht. Dort wurden sie in einem Gebäude der Konterguerilla, das sich auf dem Gelände eines Militärstützpunkts befindet, verhört und gefoltert. Später haben wir sie in einem Gebäude im Stadtbezirk Hatay Üçkuyular schwerer Folter unterzogen. Gegen Ende April – wir hatten ihre Arme und Beine gebrochen – machten wir sie mit Medikamenten bewusstlos und setzten sie an der Küste von Seferihisar in ein Fischerboot. Als das Boot auf dem Meer schwamm, sprengten wir es. Wir hatten uns für Seferihisar entschieden, da die Berge dort direkt ins Meer abfallen. Außerdem ist es eine einsame Gegend.“

Trotz dieses Geständnisses wurde das Verbrechen durch die türkische Justiz nicht geahndet. Niemand musste sich für den Mord an Metin Andaç, Hasan Aydoğan, Mehmet Ali Mandal und Neslihan Uslu, die in den Jahren '94-'95 leitende Chefredakteurin der Zeitschrift Devrimci Gençlik (Revolutionäre Jugend) war, verantworten. Die Praxis der Straflosigkeit für staatliche Morde an Oppositionellen setzt sich bis heute fort.