Der türkische Staat macht immer mehr den Verrat der eigenen Identität zur Bedingung für die Freilassung politischer Gefangener, auch nach Ablauf der Vollzugsdauer. Dem politischen Gefangenen Ali Koç wurde wegen „fehlender Reue“ zum zweiten Mal die Entlassung verweigert. Koç war, wie unzählige andere politisch Aktive auch, 1992 verhaftet und vor einem der berüchtigten Staatssicherheitsgerichte wegen „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden.
Lebenslänglich bedeutet in der Türkei offiziell 30 Jahre. Am 15. Dezember 2022 hätte Koç entlassen werden müssen. Aufgrund einer neuen Gesetzgebung wurden jedoch Vollzugskommissionen eingeführt, die über eine Sozialprognose für die Entlassung der Gefangenen entscheiden. Von politischen Gefangenen werden immer wieder Reuebekenntnisse gefordert oder ihnen wird die Entlassung verweigert. So entschied die Vollzugskommission bei Ali Koç im Dezember 2022, dass er wegen fehlender Reue nicht entlassen werden dürfe. Er habe 26 Disziplinarstrafen erhalten und sich nicht von anderen politischen Gefangenen getrennt. Daher wurde die Entlassung für 15 Monate ausgesetzt. Nun fand erneut im Januar eine Anhörung statt. Ihm wurde wieder eine „schlechte Sozialprognose“ ausgestellt und die Entlassung um weitere drei Monate aufgeschoben. Es ist offensichtlich, dass versucht wird, den politischen Gefangenen auf diese Weise zu brechen.
Koç ist nicht der einzige Fall. Er berichtete, dass allein bei ihm 14 von 24 politischen Gefangenen trotz Ende der Vollzugsdauer nicht freigelassen würden, und appellierte an die Öffentlichkeit, Druck aufzubauen.