Neue Dimension der antikurdischen Abschiebepraxis

Das Nürnberger Bündnis für Frieden in Kurdistan wendet sich wegen der Abschiebung von Zeki T. an die Öffentlichkeit: „Das Beispiel der jüngsten Abschiebung in Nürnberg stellt auch eine weitere Stufe der Eskalation von Repression dar.“

Das Nürnberger Bündnis für Frieden in Kurdistan hat sich mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt, um exemplarisch aufzuzeigen, wie der deutsche Staat Abschiebungen von Kurdinnen und Kurden durchsetzt. Im Zusammenspiel von Ausländerbehörden und Verfassungsschutz werden abstrakte politische Interessen der Bundesrepublik angeführt, gegen die jemand angeblich verstößt, der sich in einem legalen kurdischen Kulturverein engagiert.

Das Beispiel der jüngsten Abschiebung in Nürnberg stellt auch eine weitere Stufe der Eskalation von Repression dar, da in diesem Fall eine Familie auseinander gerissen wird und vier minderjährige Kinder ohne Vater aufwachsen müssen. Im CSU-geführten Bayern und in der Stadt Nürnberg, die sich selbst gerne als „Stadt der Menschenrechte“ labelt, ist der Schutz der Familie nicht mehr viel wert.

Pressemitteilung:

„Zeki T. ist türkischer Staatsbürger mit kurdischer Identität und lebt seit rund 20 Jahren in Deutschland. Er war sechs Jahre alt, als seine Familie nach Deutschland kam. 1999 wurde ihr der Flüchtlingsschutz zuerkannt, auf den die Familie dann 2009 verzichtete, um Reisen in die Türkei zu erleichtern. Seit rund zehn Jahren ist Zeki T. im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Er absolvierte hier Schule und Ausbildung, ist seitdem ununterbrochen erwerbstätig und steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einem örtlich ansässigem Arbeitgeber. Er ist verheiratet und hat mehrere Kinder, auch mit deutscher Staatsangehörigkeit, für deren Lebensunterhalt er sorgte.

Im Februar 2019 erhielt Zeki T. Post von der Ausländerbehörde der Stadt Nürnberg. Der Inhalt: Ausweisungsverfügung, Androhung einer Abschiebung, Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung auf das Stadtgebiet Nürnbergs, was seine Berufstätigkeit mit Einsätzen außerhalb der Stadt unmöglich machte. Bei Verstoß gegen die Auflagen wurde ein Zwangsgeld angedroht.

Eines frühen Morgens im Mai wurde Zeki T. schließlich von der Polizei abgeholt und in die Türkei abgeschoben.

Vorangegangen ist ein Ermittlungsverfahren wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und ein anschließendes „Sicherheitsgespräch“. Dabei wird regelmäßig auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgegriffen. Wenn es Kurd*innen betrifft, werden sie – ohne Beweise – mit einer angeblichen Teilnahme an Veranstaltungen konfrontiert. Immer wird dabei auch die Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstellt.

Konkret wird Zeki T. vorgeworfen, er habe teilgenommen an vom Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum „Medya Volkshaus e.V.“ organisierten Kundgebungen, Newroz-Feiern, Versammlungen, Spendenaktionen etc. Es handelte sich dabei ohne Ausnahme um angemeldete Veranstaltungen, zu denen öffentlich eingeladen wurde. Das Konstrukt, durch Zeki T.‘s Aktivitäten in einem kurdischen Kulturverein auf Zugehörigkeit / Mitgliedschaft in der PKK zu schließen, ist ein Versuch, die kulturellen und politischen Aktivitäten von Kurd*innen in Deutschland zu kriminalisieren.

Das „Medya Volkshaus e.V.“ ist bekannt als kultureller Treffpunkt von Kurd*innen in Nürnberg und Umgebung. Regelmäßig werden Veranstaltungen auch von der Stadt Nürnberg gefördert, wie z.B. die Kurdischen Kulturtage.

Seit Jahrzehnten stehen kurdische Institutionen sowie politische und kulturelle Aktivitäten in Deutschland im Visier der Behörden. Deutsche Staatsräson ist die Übernahme des Narrativs des türkischen Staates, alle Kurd*innen, die sich zu ihrer ethnischen Identität bekennen, als ‚Terroristen‘ zu brandmarken. Den deutschen Behörden zufolge gelten sie als ‚Gefährder der freiheitlich demokratischen Grundordnung‘. Dabei sind die Inhalte egal, die auf Versammlungen oder in Publikationen vertreten werden. Auch wenn es um Friedensaufrufe geht oder um die Forderung, die Türkei möge ihre eigenen Gesetze bezüglich der Behandlung von Gefangenen einhalten, wird dies als Verlautbarung einer Bewegung verstanden, die seit 1993 aus außenpolitischen Gründen in Deutschland mit einem Verbot belegt ist.

Neu im Fall von Zeki T. ist, dass ein unterstelltes Engagement in einem legalen kurdischen Verein offenbar für die deutschen Behörden Grund genug ist, eine Familie auseinander zu reißen und die minderjährigen Kinder ohne Vater aufwachsen zu lassen.

Als ‚Bündnis für Frieden in Kurdistan‘ sind wir betroffen und entsetzt über die Entscheidung der Nürnberger Ausländerbehörde, einen gut integrierten und seit Jahrzehnten in Nürnberg lebenden Mann mit kurdischer Identität abzuschieben. Wir erachten dies als nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern auch nicht eben förderlich für eine Entspannung im kurdisch-türkischen Konflikt. Mit dem absurden Verweis auf „sicherheitsrechtliche Bedenken“ drängt sich der Eindruck auf, eine deutsche Behörde macht sich wieder mal zum Erfüllungsgehilfen des türkischen Staates.“

Ein Sprecher des Bündnisses fügt gegenüber ANF hinzu:

„Die Nürnberger Ausländerbehörde ist hinlänglich bekannt durch ihre besonders restriktiven Entscheidungen. Ermessensspielräume werden praktisch immer zu Ungunsten der Migrant*innen ausgelegt. Wir beobachten, dass mit dem Werkzeug der Vereins- und Aufenthaltsgesetze zunehmend Druck aufgebaut wird. Im Gegensatz zum Strafrecht genügen im Aufenthaltsrecht auch schon obskure, nie bewiesene ‚Erkenntnisse‘ des Verfassungsschutzes, um aus Sicht des Staates missliebige Personen zu ‚Gefährdern‘ zu erklären, denen dann eine vermeintlich sichere Niederlassungserlaubnis entzogen wird. Das Ziel ist dabei nicht nur die Abschiebung eines Einzelnen, sondern immer auch die Einschüchterung des Umfelds.

Der beschriebene Fall unseres Freundes Zeki T. ist ein weiteres Beispiel im Mosaik der Repression gegenüber Kurd*innen, die mit dem Betätigungsverbot der PKK im Jahr 1993 begonnen hat. Dabei werden in den Berichten der Verfassungsschutzbehörden immer wieder falsche oder zumindest längst überholte ‚Erkenntnisse‘ verbreitet, die dann als Grundlage für Kriminalisierung und Abschiebung herhalten müssen. Wir fordern deshalb eine Neubewertung der Absichten und Ziele der kurdischen Freiheitsbewegung seitens des deutschen Staates und die Möglichkeit einer freien politischen Betätigung für Kurd*innen und ihrer Verbände auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“