Nach zwölf Jahren: Haftstrafen für Teilnahme an Beerdigung

Yahya Menekşe war 15, als er 2008 bei einem Protest in Cizîr anlässlich des Jahrestages der Verschleppung Abdullah Öcalans von einem Polizeipanzer überrollt wurde und starb. Jetzt wurden acht Teilnehmer seiner Beerdigung zu Haftstrafen verurteilt.

Durch die Stadt Cizîr (türk. Cizre) in der kurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) geht wegen dem Prinzip des „Feindstrafrechts“ eine Welle der Erschütterung durch. Dort sind am Dienstag acht Personen verhaftet worden, nachdem zuvor der türkische Kassationshof langjährige Haftstrafen gegen sie bestätigte. Betroffen sind Mustafa Ecevit, Mitglied im Kreisvorstand der HDP, Ali Ecevit, Nesim Dalmış, Mehmet Zeki Eliş, Nimet Şen, Nihat Kantik, Sabahattin İldem und Ekrem İnedi. Der Vorwurf: „Delikte zugunsten einer Terrororganisation” – gemeint ist die PKK – nach Artikel 220/6 des türkischen Strafgesetzbuches. Ihr Vergehen: Teilnahme an einer Beerdigung im Jahr 2008. Der Tote: Yahya Menekşe, der am 15. Februar 2008 bei einer Demonstration zum Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans aus Kenia in die Türkei von einem Panzerwagen der türkischen Polizei überrollt wurde. Die Strafe: Jeweils drei Jahre und 15 Tage Haft. Kein Skandalurteil, sondern der ganz normale Wahnsinn in der Türkei von Recep Tayyip Erdoğan. Alle acht wurden bereits an das T-Typ-Gefängnis in Şirnex überstellt.

Dass der Kassationshof in Ankara, eines der höchsten Gerichte in der Türkei, die Urteile im Fall der acht Demonstranten aus Cizîr über zwölf Jahre nach der Beisetzung von Yahya Menekşe bestätigt, zeigt, dass die Repression gegen Kurdinnen und Kurden nicht auf die Ahndung strafbaren Unrechts abzielt, sondern auf die Vernichtung einer politischen Bewegung und der sie tragenden oder „möglicherweise“ unterstützenden Personen, also der Basis. Das zeigt sich auch daran, dass Yahya Menekşe posthum von der Justiz als schuldig für seinen Tod erklärt wurde und der Polizist, der ihn überfahren hatte, einen Freispruch erhielt. Dass so vorgegangen werden würde, hatte sich bereits wenige Stunden nach der extralegalen Tötung des Jugendlichen abgezeichnet, da die Behörden und Presse sofort behaupteten, der Junge sei durch einen Steinwurf an den Kopf getötet worden. Erst als eine Autopsie in Meletî (Malatya) eindeutig die Todesumstände belegte, wurde es plötzlich ruhiger. Das mag möglicherweise auch daran gelegen haben, dass die heute verhafteten Personen bereits 2008 inhaftiert worden waren, allerdings wegen dem Vorwurf, eine Demonstration ohne Erlaubnis veranstaltet zu haben.

Yahya Menekşe

Auf der Beerdigung von Yahya Menekşe am 16. Februar 2008 hatte die Polizei auch das Feuer auf eine Gruppe Protestierender eröffnet und zwei Personen verletzt. Darüber hinaus war bei der Trauerfeier Tränengas eingesetzt worden. Insgesamt 24 Teilnehmer*innen wurden daraufhin festgenommen, acht landeten für Monate im Gefängnis. Offenbar nicht genug Rache für die türkische Justiz.