Mit „Schweinefessel“ gefolterte Gefangene zwangsverlegt

Nach einem gewaltsamen Übergriff und einer Prügelorgie samt Schweinefessel im Gefängnis Patnos sind zwei der betroffenen Frauen in andere Haftanstalten verlegt worden. Die Maßnahme scheint eine Reaktion auf das Bekanntwerden des Folterfalls zu sein.

Nach einem gewaltsamen Übergriff und einer Prügelorgie in einem Gefängnis in der nordkurdischen Provinz Agirî (tr. Ağrı) sind zwei aus politischen Gründen inhaftierte Frauen in andere Haftanstalten verlegt worden. Die Maßnahme sei wahrscheinlich eine Reaktion auf das Bekanntwerden des Folterfalls in der türkischen Vollzugsanstalt vom Typ L im Landkreis Panos (Patnos), vermutet der Menschenrechtsverein IHD. Betroffen von den Zwangsverlegungen sind Mizgin Kayıtbey und Lale Kabişen. Letztere wurde in das Frauengefängnis Tarsus bei Mersin gebracht. Kayıtbey befindet sich in der Frauenvollzugsanstalt Kayseri.

Der Fall hatte großes Entsetzen und Wut ausgelöst: Mizgin Kayıtbey, Lale Kabişen und ihre Mitinsassin Nazlıcan Barışer waren Anfang September Opfer eines gewalttätigen Einsatzes des Vollzugspersonals geworden. Zunächst wurden sie von etwa vierzig Wachleuten mehr als eine halbe Stunde geschlagen, anschließend wurden sie mit der sogenannten Schweinefessel gefoltert und vier Stunden lang in diesem Zustand in einem Warteraum festgehalten. Der Gewalt vorausgegangen war eine Forderung der Frauen nach einem Gespräch mit der für das Gefängnis von Patnos zuständigen Staatsanwaltschaft über Rechtsverletzungen an Gefangenen. Dabei ging es unter anderem um Zählappelle durch männliches Wachpersonal im Frauentrakt. Männer hätten in Räumen, in denen sich das Privatleben von Frauen abspielt, nichts zu suchen, schilderten sie ihren Verteidigerinnen.

Die Schweinefessel ist eine Foltermethode, mit der Menschen durch die Fesselung von Hals, Beinen und Armen in gekrümmter Haltung bewegungsunfähig gemacht werden. An der Folterung an Mizgin Kayıtbey, Lale Kabişen und Nazlıcan Barışer sollen auch die Vollzugsleitung und Soldaten beteiligt gewesen sein. Den Gefangenen wurde mit weiterer Misshandlung gedroht, damit sie das Vorgehen nicht öffentlich bekannt machen. Dann wurden sie an den Haaren nach draußen gezerrt und mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einem Gefangenentransporter zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht. Männliche Mitgefangene in Panos hatten mit Faustschlägen auf die Zellentüren gegen die Misshandlung der Frauen protestiert. Gegen sie sind Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Am Mittwoch legte der IHD einen Bericht über die Folterungen in Panos vor. „Dieser Fall stellt nur die Spitze des Eisbergs des Leidens und der Folter durch das Personal im Gefängnis von Patnos dar“, heißt es in dem Report, der von der IHD-Zweigstelle in der Provinz Wan erstellt wurde. Die von Mizgin Kayıtbey, Lale Kabişen und Nazlıcan Barışer am 1. September erfahrene Folter bilde lediglich das letzte Glied einer Kette von Disziplinarmaßnahmen und verschiedenen Dimensionen der Gewalt, betont die Organisation in dem Bericht. Ihr Leben und das ihrer Mitgefangenen gleiche einem Alptraum; oft sei kein Wasser vorhanden, in den Zellen gebe es kaum Luft zum Atmen – wobei diese Art der Rechtsverletzungen zu den eher nicht-schweren gehören würden. Doch Beschwerden gegen diese und andere „systematischen und strukturellen Verstöße gegen Grundrechte“ würden nicht bearbeitet, im Gegenteil: Beschwerdeführende erhielten Disziplinarstrafen wie Bunkerhaft, um sie nach dem Prinzip des Feindstrafrechts zu sanktionieren.