Mit 800 Geretteten auf der Suche nach einem sicheren Hafen

Die zivilen Seenotrettungsschiffe SEA-EYE 4 und RISE ABOVE konnten erneut 400 Schutzsuchende bergen. Damit befindet sich die SEA-EYE 4 nun mit rund 800 geretteten Menschen an Bord auf der Suche nach einem sicheren Hafen

Am Mittwochvormittag erreichte die zivilen Rettungsschiffe SEA-EYE 4 von Sea-Eye e.V. und RISE ABOVE von Mission Lifeline e.V. ein Notruf von einem in Seenot geratenen Holzboot, das mit etwa 400 Schutzsuchenden besetzt war. Die NGO AlarmPhone hatte den Schiffbruch in der maltesischen Such- und Rettungszone bereits der Rettungsleitstelle gemeldet. Diese unternahm jedoch nichts. Trotz Entfernung von etwa sechs Stunden Fahrt machten sich daher die SEA-EYE 4 und die RISE ABOVE auf den Weg zum Unglücksort. Aus vorherigen Rettungsmissionen hatte die SEA-EYE 4 bereits 397 Schutzsuchende an Bord, „denn anderweitige Hilfe für die Menschen in akuter Lebensgefahr war nicht zu erwarten“.

Boot hatte bereits Leck geschlagen

Die RISE ABOVE erreichte das Holzboot, das über zwei Ebenen verfügte, am Mittwochabend zuerst. Zu dem Zeitpunkt war bereits ein Leck im Boot, durch das Wasser eindrang. Mehrere Personen waren ohne Schwimmwesten im Wasser und mussten direkt aus dem Meer gerettet werden. Die SEA-EYE 4 traf kurze Zeit später ein. Die Besatzungen der Rettungsboote versorgten die Menschen zügig mit Rettungswesten, beruhigten sie und stabilisierten zunächst die gefährliche Situation. Medizinische Notfälle wurden zuerst auf die SEA-EYE 4 evakuiert. Eine Person konnte noch auf dem Rettungsboot auf dem Weg zur SEA-EYE 4 erfolgreich reanimiert werden. Die vollständige Evakuierung des Holzbootes konnte erst um Mitternacht abgeschlossen werden.

800 Menschen an Bord der SEA-EYE 4

Es befinden sich nun mehr als 800 Menschen auf der SEA-EYE 4, die inzwischen Kurs auf Lampedusa genommen hat. Die italienische Insel ist nur wenige Stunden vom Unglücksort entfernt und so der am schnellsten erreichbare sichere Hafen.

Maltas Verhalten ist beschämend“

„Auf der SEA-EYE 4 herrscht nun der Ausnahmezustand. Jede Verzögerung durch die Behörden gefährdet die Gesundheit und das Leben der geretteten Menschen und unserer Besatzung. Es ist beschämend, wie Malta sich immer wieder seiner Verantwortung entzieht und Notrufe ignoriert”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Verhalten der europäischen Behörden hat beinahe kriminelle Züge“

Axel Steier, Vorstand und Sprecher von Mission Lifeline e.V., fügt an: „Das Verhalten der europäischen Behörden hat beinahe kriminelle Züge. Die Zuständigkeiten sind eindeutig und klar geregelt. Warum sich die Staaten nicht daran halten und wissentlich Menschen in Seenot im Stich lassen, kann nur mit mangelndem Verfolgungsdruck des internationalen Strafgerichtshofs zusammenhängen. Es wäre ein Leichtes, die Verantwortlichen persönlich zur Rechenschaft zu ziehen!“

24-köpfige Besatzung arbeitet unter Hochdruck

Für die 24-köpfige Besatzung der SEA-EYE 4 kommt es nun zu einer noch nie da gewesenen Belastungssituation. Das Rettungsschiff ist auf die schnelle Zuweisung eines sicheren Hafens angewiesen. Sea-Eye hat die Rettungsleitstelle in Rom bereits um die Zuweisung eines sicheren Hafens und das Auswärtige Amt um dringende Unterstützung gebeten, da Malta sich jeder Kommunikation verweigert.

Dr. Christine Winkelmann, Vorständin der German Doctors, eine NGO, die durch die Bordärztin Daniela Klein an der Rettungsaktion auf der SEA-EYE 4 an den Rettungen beteiligt ist, erklärt: „Es ist erschütternd, wie viele Rettungen Sea-Eye und andere Organisationen in den letzten Tagen vornehmen mussten. Die Situation vor Ort ist dramatisch, da die Rettungskräfte an den Rand ihrer Belastung kommen und die Kapazitäten nicht mehr ausreichen. Wir brauchen Hilfe, damit alle Menschen, die gerade in Seenot sind, gerettet werden können. Das ist doch unsere gemeinsame moralische Verantwortung.“

Titelfoto: Sea-Eye e.V.