Menschenrechtsbericht für 2017 in Amed vorgestellt

Auf einer Pressekonferenz in Amed wurde aus Anlass der Menschenrechtswoche ein Bericht über die Auswirkungen des Ausnahmezustands in der Türkei vorgestellt.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des Menschenrechtsvereins (IHD), der Menschenrechtsstiftung Türkei (TIHV), der Anwaltskammer Diyarbakır, der Ärztekammer Diyarbakır und der Rechtsinitiative Diyarbakır wurde ein Bericht über die Rechtsverletzungen in der Türkei vorgestellt.

Der Bericht wurde von dem stellvertretenden IHD-Ko-Vorsitzenden Raci Bilici verlesen. Bilici verwies darauf, dass die Ermittlungen zu dem Mord an Tahir Elçi, dem ehemaligen Vorsitzenden der Anwaltskammer in Amed, nicht ausreichend seien. Nach Ausrufung des Ausnahmezustands seien die Rechtsverletzungen in der Türkei stark angestiegen.

Das staatliche Kriegskonzept wirke sich insbesondere in Kurdistan stark aus, so Bilici: „Es kam zu Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit Militäroperationen, eingerichteten Sicherheitszonen und Ausgangssperren. Hunderte ländliche besiedelte Gebiete sind aufgrund von Militäroperationen zu Sicherheitszonen erklärt worden und es wurden Ausgangssperren erlassen. Die in den betroffenen Gebieten lebenden Menschen können daher ihr gewohntes Leben nicht fortsetzen.“

„Männergewalt mit Straffreiheit belohnt“

Bilici ging weiter auf die systematischen Rechtsverletzungen in den türkischen Gefängnissen ein. Seit der Ausrufung des Ausnahmezustands hätten sich die Fälle von Folter an Gefangenen erhöht.

Zum Thema Gewalt gegen Frauen erklärte Bilici, Männergewalt als Ausdruck der Herrschaft über Frauen sei Teil der gesellschaftlichen Realität und werde juristisch in vielen Fällen mit Straffreiheit belohnt: „Dadurch vertieft sich das Problem der Geschlechterungleichheit in der Gesellschaft.“

„Kinder sterben“

Zu der Verletzung von Kinderrechten erklärte Bilici, neben der gewaltsamen Tötung von Kindern sei der Anstieg von Fällen sexuellen Missbrauchs insbesondere in Einrichtungen wie Internaten und Schulen auffällig. Außerdem würden weiterhin Kinder durch zurückgelassene Munition verletzt und getötet.  

Am Ende seiner Ansprache sagte Bilici: „Die Rechtsverletzungen haben eine weitverbreitete und systematische Form angenommen. Ein politischer Wille sie zu verhindern, ist nicht erkennbar.“ Er fordere daher die sofortige Aufhebung des Ausnahmezustands und die Rückkehr zu Gesprächen über eine Lösung der kurdischen Frage.

Rechtsverletzungen in Zahlen

Der vorgestellte Menschenrechtsbericht enthält unter anderem folgende Angaben:

Über 100.000 öffentlich Angestellte und Akademiker*innen wurden per Dekret entlassen.

160 Medienorgane wurden fristlos geschlossen, ihr materieller Besitz wurde beschlagnahmt.

166 Journalist*innen befinden sich im Gefängnis, gegen Dutzende laufen Ermittlungs- und Strafverfahren oder sie sind bereits zu Haftstrafen verurteilt.

101 Stadtverwaltungen stehen unter Zwangsverwaltung, in 94 Fällen handelt es sich um DBP-Verwaltungen.

110 Ko-Bürgermeister*innen wurden nach der Einsetzung eines Zwangsverwalters verhaftet. 68 von ihnen sind immer noch im Gefängnis.

Neun HDP- und ein CHP-Abgeordneter sind in Haft.

Fünf Abgeordneten der HDP wurde der Abgeordnetenstatus aberkannt, mehrere wurden zu Haftstrafen verurteilt.