Mehmet Zeki Akyıldız seit 29 Jahren „verschwunden”

„Hätte ich Gewissheit über das Schicksal meines Kindes, würde mein gebrochenes Herz vielleicht anfangen zu heilen“, sagt Ruskiye Akyıldız. Ihr 16-jähriger Sohn Mehmet Zeki wurde 1992 von der Hizbullah verschleppt und gilt seitdem als „verschwunden”.

„Hätte ich Gewissheit über das Schicksal meines Kindes, würde mein gebrochenes Herz vielleicht anfangen zu heilen“ – Das sagte Ruskiye Akyıldız anlässlich der 856. Mahnwache der Initiative der Samstagsmütter, die sich heute dem Verbleib des Sohnes der Kurdin aus Êlih (tr. Batman) widmete. Im Alter von 16 Jahren wurde Mehmet Zeki Akyıldız im September 1992 von einem Killerkommando der radikalislamistische Konterguerilla Hizbullah verschleppt. Danach tauchte er nie wieder auf.

Êlih galt in den blutigen 1990er Jahren Kurdistans als Hochburg der religiös-extremistischen Terrororganisation Hizbullah (nicht zu verwechseln mit der Hisbollah im Libanon), die vom türkischen Staat systematisch als Gegengewicht zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefördert wurde und deren Todesschwadronen einen Freischein für Folter, Mord und Terror an der kurdischen Bevölkerung erteilt hatte. In der Hochphase des Krieges, von 1991 bis 1996, wurden allein in Êlih über 600 Menschen ermordet. Ihre Leichen tauchten auf Mülldeponien, in Säure zersetzten Brunnen, in Gewässern oder einbetoniert in Kellergewölben unter Massengräbern auf. Nur die wenigsten Leichen konnten identifiziert werden.

Mahnwache für Mehmet Zeki Akyıldız (Archivbild)

Von Hizbullah bedroht

Die Zahl der Opfer von Hizbullah geht in die Tausende. Die meisten von ihnen werden wie im Fall von Mehmet Zeki Akyıldız weiterhin vermisst. Der Jugendliche wurde kurz vor seinem „Verschwinden“ von der Terrororganisation bedroht, weil er sich nicht anwerben ließ. „Mehrmals war er von der Schule mit zerrissener Kleidung und Blessuren nach Hause gekommen. Es dauerte eine Weile, bis er sich traute uns zu sagen, was passiert war. Daraufhin meldeten wir ihn umgehend bei einer anderen Schule an“, sagt seine Mutter Ruskiye Akyıldız. Aber auch dort sei der Junge weiterhin bedrängt worden. Deshalb wurde Mehmet Zeki zu seiner Schwester in Farqîn (Silvan) in der benachbarten Provinz Amed (Diyarbakir) geschickt. „Irgendwann rief ich meine Tochter an und sagte ihr, sie solle Mehmet Zeki nach Hause schicken. Da fing sie plötzlich an zu weinen. ‚Ist er noch immer nicht angekommen?‘, fragte sie. In dem Moment begann unsere Suche, die bis heute andauert.“

Mehmet Zeki im Hizbullah-Bunker in Sûsa gesehen

Obwohl mehrere Zeugen angaben gesehen zu haben, dass Mehmet Zeki Akyıldız von zwei in Zivil gekleideten Personen gegen seinen Willen verschleppt wurde, brachten Vermisstenmeldungen bei der türkischen Polizei keine Ergebnisse, die Behörden blieben untätig. Die Eltern von Mehmet Zeki Akyıldız stellten auf eigene Faust Ermittlungen an. Ruskiye Akyıldız brachte sogar die Adressen von einigen Häusern der Hizbullah-Zellen in Erfahrung und klapperte sie ab. „Ich hatte keine Angst, ich dachte nur daran, meinen Sohn zu finden“, erinnert sie sich. Der Jugendliche war bereits rund ein Jahr vermisst, da tauchte ein Entführungsopfer der Terrororganisation auf. Dem Mann war es gelungen, aus einem Bunker im Dorf Sûsa (Yolaç) bei Farqîn zu entkommen. Die Ortschaft galt lange Zeit als das Zentrum der Hizbullah in Amed. „Er sagte, dass sie zu 78 Personen in dem Bunker eingeschlossen gewesen seien und es ständig dunkel war. Niemand habe das Gesicht eines anderen erkennen können, aber miteinander gesprochen hätten sie.“ Daraufhin wandte sich die Familie von Mehmet Zeki Akyıldız erneut an das türkische Militär und die Justiz. Doch auch dieser Versuch, die Behörden zum Handeln zu bewegen und die Hizbullah-Basis in Sûsa zu durchsuchen, scheiterte. Niemand unternahm Schritte, den Jugendlichen zu finden.

Schicksal aufklären, Täter bestrafen

Rückblickend sagt Ruskiye Akyıldız: „Unsere Forderung vom türkischen Staat ist aktuell wie damals: wir verlangen Aufklärung über das Schicksal meines Kindes und die Bestrafung derjenigen, die ihn haben verschwinden lassen. Von dieser Forderung werden wir nicht absehen. Weder heute noch morgen.“