Eine Mission der Vereinten Nationen (UN) hat Iran für den Tod von Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im September 2022 verantwortlich gemacht. In einem ersten Zwischenbericht der UN-Faktenfindungsmission, der gestern dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt wurde, hieß es, der 22-jährigen Kurdin sei im Polizeigewahrsam Gewalt zugefügt worden. Dafür gebe es Beweise, und diese Gewalt habe zu ihrem Tod geführt. In dem Bericht wurde jedoch niemand konkret beschuldigt, für Aminis Verletzungen verantwortlich zu sein.
Jina Mahsa Amini starb am 16. September 2022 in einem Teheraner Krankenhaus, nachdem sie von der Sittenpolizei festgenommen worden war, weil sie gegen die Kleidervorschriften des Regimes verstoßen haben soll. Sie wurde dem UN-Bericht zufolge in die iranische Haftanstalt Vosara gebracht, um sich einem sogenannten Umerziehungsunterricht zu unterziehen, brach jedoch nach 26 Minuten zusammen und wurde 30 Minuten später in eine Klinik gebracht. Dort starb sie drei Tage nach ihrer Festnahme.
Jina Mahsa Amini (c) privat
Beweise für ein Trauma am Körper Aminis
Die Führung Irans bestritt, für Aminis Tod verantwortlich zu sein. Sie sei auch nicht geschlagen worden. Die Regime-Behörden wiesen im Gegenzug auf ein medizinisches Leiden hin, das die Kurdin seit ihrer Kindheit nach einer Operation gehabt habe. Der UN-Bericht wies das als Ursache für ihren Tod nun allerdings zurück. Es habe Beweise für ein Trauma am Körper Aminis gegeben, das ihr im Gewahrsam der Sittenpolizei zugefügt worden sei.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Der Tod von Amini löste die „Jin Jiyan Azadî“-Revolution aus. Bei den schwersten Protesten in dem von Mullahs geführten Land gingen vor allem junge Menschen und Frauen monatelang auf die Straßen, um gegen das islamistische Herrschaftssystem zu demonstrieren. Der UN-Bericht stellte fest, dass zur Niederschlagung der Demonstrationen im September 2022 und danach Menschen getötet und unverhältnismäßige Gewalt angewendet wurde, Protestierende willkürlich ihrer Freiheit beraubt worden sind, es Folter, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt gegeben habe. Angesichts der gewalttätigen Unterdrückung der Proteste und der Diskriminierung von Frauen und Mädchen spricht die Mission von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Außergerichtliche Tötungen
„Die Proteste waren aufgrund der Führungsrolle von Frauen und Jugendlichen, ihrer Reichweite und Dauer und schließlich der gewaltsamen Reaktion des Staates beispiellos", schrieb die UN-Mission. Die Fachleute gehen davon aus, dass die Gewalt gegen die „Jin Jiyan Azadî“-Revolution mehr als 550 Menschen das Leben kostete, darunter sollen mindestens 49 Frauen und 69 Kinder gewesen sein. Mehr als 22.000 Menschen wurden inhaftiert. „Die meisten Todesfälle wurden durch Schusswaffen, insbesondere Sturmgewehre, verursacht“, so die Mission. Auch hätten sogenannte Sicherheitskräfte Schrotflinten und Maschinenpistolen eingesetzt – oft in Situationen, „in denen keine unmittelbare Gefahr für ihr Leib und Leben bestand“. Sie hätten damit außergerichtliche Tötungen begangen. Protestierenden sei zudem mit Vorsatz ins Auge geschossen worden. „Die Mission stellt fest, dass solche Verletzungen eine abschreckende und ernüchternde Wirkung haben, da sie die Opfer dauerhaft kennzeichnen und sie im Wesentlichen als Demonstrierende brandmarken.“
Untersuchung des Todes von Armita Geravand
Die UN-Faktenfindungsmission teilte zudem mit, sie untersuche weiterhin den Tod von Armita Geravand. Die 16-jährige Kurdin kam im vergangenen Jahr nach einer gewaltsamen Konfrontation mit Sittenwächterinnen in der Teheraner U-Bahn ums Leben. Videos von dem Übergriff zeigten, dass Geravand keine Kopfbedeckung trug. Auch in ihrem Fall dementierte das Regime Gewalt seitens der Behörden. Die Jugendliche sei wegen niedrigen Blutdrucks gestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen, lautete die offizielle Erklärung.