AI-Bericht über Durchsetzung der Verschleierungspflicht im Iran

Die Verschleierungspflicht für Frauen und Mädchen im Iran wird mit umfassender Überwachung des öffentlichen Raums und drakonischen Strafen durchgesetzt. Laut Recherchen von Amnesty International wurden Zehntausende Autos beschlagnahmt.

Amnesty International hat einen Bericht über die Repression gegen unverschleierte Frauen im Iran veröffentlicht. Demnach wird die Verschleierungspflicht mit umfassender Überwachung im öffentlichen Raum und massenhaft Polizeikontrollen durchgesetzt. Mit der Polizeiapp „Nazer“ werden Kfz-Kennzeichen von Autos registriert, in denen unverschleierte oder nicht ausreichend bedeckte Frauen sitzen. Zehntausende Frauen wurden willkürlich mit der Beschlagnahmung ihrer Autos bestraft, weil sie sich den iranischen Verschleierungsgesetzen widersetzt hatten. Andere mussten Geldstrafen bezahlen oder an Kursen über „Moral“ teilnehmen. Amnesty International hat zudem Kenntnis von Fällen, in denen Frauen strafrechtlich verfolgt und zu Auspeitschungen oder Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Für den Bericht hat Amnesty International Betroffene interviewt und Gerichtsurteile und Justizdokumente der iranischen Behörden ausgewertet. „Die drakonischen Maßnahmen reichen vom Anhalten von Autofahrer:innen auf der Straße über die massenhafte Beschlagnahmung ihrer Fahrzeuge bis hin zu unmenschlichen Auspeitschungen und Gefängnisstrafen“, sagte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Die Menschenrechtsorganisation weist darauf hin, dass die zunehmende Verfolgung von Frauen und Mädchen nur wenige Wochen vor der Abstimmung des UNO-Menschenrechtsrates in Genf über die Verlängerung einer Untersuchungsmission im Iran stattfindet. Diese hat das Mandat, die Menschenrechtsverletzungen insbesondere auch gegen Frauen und Kinder seit dem Tod von Jina Mahsa Amini zu untersuchen.

Verschleierungspflicht für Mädchen ab neun Jahren

Die Verschleierungspflicht im Iran gilt bereits für Mädchen im Alter von neun Jahren. Die Einhaltung wird mit Überwachungskameras und patrouillierenden Beamt:innen in Zivil kontrolliert. „Die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erhielten Droh-SMS und Telefonanrufe, in denen sie aufgefordert wurden, sich bei der Sittenpolizei zu melden und ihre Fahrzeuge abzugeben, weil sie sich der Verschleierungspflicht widersetzt hätten“, heißt es in dem Bericht. Zudem hätten Betroffene berichtet, „dass das Verfahren zur Abholung ihrer Autos von der Sittenpolizei mit langen Warteschlangen und erniedrigender Behandlung verbunden ist. Sie schilderten geschlechtsspezifische Beleidigungen, demütigende Anweisungen, ihr Haar zu bedecken, oder die Androhung von Auspeitschungen, Gefängnis und Reiseverboten. In vielen Fällen ordnen leitende Beamte der Sittenpolizei die Freigabe des Fahrzeugs nach 15 bis 30 Tagen an. Zuvor mussten die Frauen allerdings willkürlich festgesetzte Gebühren für das Parken und das Abschleppfahrzeug begleichen und sich schriftlich zur Einhaltung der Verschleierungspflicht verpflichten“.

Neues Gesetz soll Übergriffe rechtlich verankern

Das iranische Parlament steht kurz vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das die behördlichen Übergriffe auf Frauen und Mädchen, die sich der Verschleierungspflicht widersetzen, rechtlich verankern und weiter verschärfen soll. Im Februar 2024 akzeptierte Präsident Ebrahim Raisi offiziell die erheblichen finanziellen Kosten für die Umsetzung des vorgeschlagenen Gesetzes und ebnete damit den Weg für die Verabschiedung des Gesetzes, teilt Amnesty International weiter mit. „Die UNO-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, müssen darauf pochen, dass die iranischen Behörden die Zwangsverschleierung abschaffen, alle Verurteilungen und Strafen wegen Verstößen gegen die Verschleierungspflicht aufheben und alle Personen, die wegen Verweigerung der Zwangsverschleierung inhaftiert sind, bedingungslos freilassen“, forderte Shoura Hashemi: „Die Behörden müssen sofort aufhören, Frauen und Mädchen dafür zu bestrafen, dass sie ihre Rechte auf Gleichberechtigung, Privatsphäre und Meinungs-, Religions- und Glaubensfreiheit wahrnehmen.“