Zeynab Jalalian: Für uns ist jeder Tag ein Frauenkampftag

Die in Iran inhaftierte Kurdin Zeynab Jalalian beschreibt in einem Brief ihre Sicht auf den 8. März und die „Jin Jiyan Azadî“-Revolution: „Für uns ist jeder Tag ein Frauenkampftag. Auf diese Weise können wir es ertragen, hinter Gittern zu sein.“

Die in Iran inhaftierte Kurdin Zeynab Jalalian gratuliert mit einem im Gefängnis in Yazd geschriebenen Brief allen kämpfenden Frauen zum Weltfrauentag am 8. März. In dem ANF vorliegenden Brief beschreibt Zeynab Jalalian die Bedeutung des 8. März und der „Jin Jiyan Azadî“-Revolution und ruft in diesem Zusammenhang zur Unterstützung der Kampagne für die Freiheit von Abdullah Öcalan auf. Wir dokumentieren den Brief und das letzte Foto von Zeynab Jalalian:

„Ich gratulieren den Frauen dieser Welt und der gesamten Menschheit zum internationalen Frauentag am 8. März. Auch in diesem Jahr bricht mit dem 8. März und mit Newroz der Frühling aus. Frauen haben am 8. März für ihre Ziele einen hohen Preis gezahlt und aufgrund von ungerechten und brutalen Maßnahmen ihr Leben verloren. Diese Frauen erleben keinen 8. März mehr und können sich nicht daran beteiligen. Die Erinnerung an sie inspiriert die Aktivitäten zum Weltfrauentag, und in diesem Sinne werden sie niemals sterben. Viele Menschen sind aufgrund von Unrecht und Unterdrückung im Gefängnis und viele Frauen sitzen hinter Gittern, obwohl sie an diesen Aktivitäten teilnehmen sollen. Ich gratuliere auch ihnen zum 8. März. Wo auch immer wir sind, lasst uns als gefangene Frauen den 8. März mit Respekt begehen. Unsere Anstrengungen für die Entstehung einer gleichberechtigten Welt finden nicht nur an einem speziellen Tag statt, für uns ist jeder Tag ein Frauenkampftag. Auf diese Weise können wir es ertragen, hinter Gittern zu sein und uns danach zu sehnen, mit anderen kämpfenden Frauen und allen freiheitsliebenden Menschen zusammen zu sein. Wir werden weitermachen, bis der Sieg errungen ist.

Der diesjährige 8. März hat eine besondere Bedeutung. Der letzte 8. März fand nach der ,Jin Jiyan Azadî'-Revolution statt, und danach gab es viele Angriffe gegen Frauen. Sie wurden mit Gas und chemischen Substanzen angegriffen, festgenommen und eingesperrt, um ihre Forderungen zu stoppen. In Rojava, wo Frauen die wesentliche Kraft im Kampf gegen den finsteren IS waren, wurden sie zum Ziel von Spezialangriffen, die auch von internationalen Mächten unterstützt wurden. Aber sowohl in Ostkurdistan als auch in Iran und auf der ganzen Welt leisten Frauen entschlossenen Widerstand und laufen unaufhaltsam in eine helle und gleichberechtigte Zukunft. Einige Freiheitssuchende wurden hingerichtet und andere zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, und keiner dieser Menschen ist bereit, sich der Unterdrückung zu ergeben. Aus diesem Grund ist der 8. März in diesem Jahr von besonderer Bedeutung, denn es ist ein Jahr voller Widerstand und Standhaftigkeit.

Der Schöpfer der damit zusammenhängenden ,Jin Jiyan Azadî'-Idee, unser Anführer Abdullah Öcalan, wurde entführt und befindet sich seit 25 Jahren in Gefangenschaft. Für seine Freiheit wurde eine Kampagne gestartet, der sich täglich Menschen und Gruppen aus verschiedenen Nationen anschließen. Ich unterstütze diese Kampagne und nehme daran teil, und ich fordere alle freiheitsliebenden Menschen und insbesondere freiheitsliebende Frauen auf, ebenfalls seine Freiheit zu fordern. Er ist Repräsentant der Freiheit im Gefängnis. Dass er seit 25 Jahren Widerstand leistet und nicht vor der Türkei und der NATO kapituliert, verdient Unterstützung und stärkt die Forderung nach Freiheit für alle kämpfenden Gefangenen. Alle für Freiheit kämpfenden Menschen haben es verdient, frei zu leben. Daher ist es eine humane Haltung, sie zu unterstützen. Ich hoffe, den 8. März gemeinsam feiern zu können. Nochmals gratuliere ich den kämpfenden Frauen und Völkern zu diesem Tag. Wie ich bereits sagte: Ich werde mich mein Leben lang dafür einsetzen, dass das Blut von Freiheitskämpferinnen nicht mit Füßen getreten wird. Die freien Frauen sollen leben, Jin Jiyan Azadî!“

Hintergrund: Einzige Frau in Iran mit lebenslanger Haftstrafe

Die 1982 in Makû geborene Zeynab Jalalian wurde im Sommer 2008 in Kirmaşan verhaftet und im Januar 2009 vor einem dortigen Revolutionsgericht wegen „Feindschaft zu Gott“ zum Tode verurteilt. Die Verurteilung steht mit Jalalians Mitgliedschaft in der „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“ (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê – PJAK) in Zusammenhang. Zuvor hatte sie acht Monate lang in einer Einrichtung des Geheimdienstministeriums in Untersuchungshaft gesessen. In ihrem Gerichtsverfahren, das nur wenige Minuten dauerte, hatte sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Das Todesurteil gegen Zeynab Jalalian wurde im November 2011 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Sie ist derzeit die einzige weibliche Gefangene in Iran, die mit dieser Strafe belegt ist. Aktuell sitzt sie in einem Gefängnis in Yazd – in rund 1400 Kilometern Entfernung vom Wohnort ihrer Familie.

Zeynab Jalalian durch Haftbedingungen und Folter schwerkrank

Zeynab Jalalian ist schwerkrank. 2020 war sie von Agenten des Geheimdienstministeriums binnen weniger Monate gleich vier Mal in verschiedene Gefängnisse im ganzen Land verlegt worden. Während dieser Odyssee erkrankte sie an Covid-19 und Asthma und leidet nach wir vor unter Atemnot. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie einen permanenten Lungenschaden davontragen wird. Zudem erlitt sie während den Transporten Verletzungen durch Fesseln an den Hand- und Fußgelenken und wurde von iranischen Sicherheitskräften körperlich misshandelt. Da ihre Verletzungen unbehandelt blieben, leidet sie inzwischen an den Spätschäden. Darüber hinaus leidet sie infolge der Haftbedingungen und Misshandlungen im Gefängnis an anderweitigen schweren gesundheitlichen Problemen, unter anderem Herz-, Darm- und Nierenerkrankungen, Lähmungen, Zahn- und Kieferentzündungen. Als Folge von wiederholten Schlägen auf den Kopf ist ihr Sehvermögen stark eingeschränkt. Bisher wurde Jalalian nur einmal kurzzeitig außerhalb des Gefängnisses medizinisch versorgt, nachdem sie im Sommer 2020 positiv auf COVID-19 getestet worden war. Zu der Zeit war sie vorübergehend in einen Hungerstreik getreten, um ihre Zurückbringung in die Haftanstalt in Xoy (Choy) zu erwirken – erfolglos.