Gefangene kämpfen ums Überleben

Nuray Çevirmen vom Menschenrechtsverein IHD kritisiert das neue Vollzugsgesetz der AKP/MHP-Regierung und berichtet, dass tausende Gefangene in der Türkei der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert sind und ums Überleben kämpfen.

Nuray Çevirmen, Vorstandsmitglied des Menschenrechtsvereins IHD, warnt wegen der vollkommen unzulänglichen Schutzmaßnahmen in den Gefängnissen der Türkei vor der Ausbreitung der Corona-Pandemie. Sie erklärt gegenüber ANF: „Die notwendigen Maßnahmen wurden nicht getroffen. Von vielen Orten kommen Meldungen des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaften über Corona-Fälle."

Angehörige, Anwält*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen haben dem IHD Informationen übermittelt, nach denen das Gefängnispersonal bei Zellendurchsuchungen oder bei der Essensausgabe weder Masken noch Handschuhe tragen und auch den Gefangenen keine Mittel zum Schutz vor der Pandemie ausgehändigt werden. Die Gefangenen erhielten nur ein bisschen Seife und Waschwasser, das gelte dann als Maßnahme gegen Corona. Die Menschenrechtsaktivistin gibt an, dass die Gefangenen nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden: „Die Menge des ausgegebenen Essens in den Gefängnissen wurde massiv gekürzt, er werden nur noch zweimal täglich geringe Mengen an Essen verteilt. Das schlägt auch auf das Immunsystem. Es wird auch nicht bekannt gegeben, wie viele Vollzugsbeamte positiv auf das Coronavirus getestet wurden.“

Çevirmen betont, dass die Gefängnisse die gefährlichsten Orte für die Ausbreitung der Pandemie seien: „Denn hier kann kein Abstand gehalten werden. Die Zellen sind überfüllt. In sechs Personenzellen befinden sich 15 Personen. Sie können sich kaum waschen und haben Schwierigkeiten beim Zugang zu Wasser und Reinigungsmitteln. Sie bekommen nicht genug Nahrung und so entstehen Folgeerkrankungen. Es gibt kranke Gefangene, die immer wieder ins Krankenhaus müssen.“

Das Vollzugsgesetz ist ungerecht

Zum Vollzugsgesetz, das eine vorzeitige Freilassung politischer Gefangener verhindert, sagt Çevirmen: „Das ist kein Gesetz, das in Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Jurist*innen und politischen Parteien entstanden ist. Tausende Menschen befinden sich nach dem Antiterrorgesetz im Gefängnis, einfach weil sie etwas getwittert und ihre Meinung kundgetan haben. Darüber hinaus sind Bürgermeister*innen, Journalist*innen und Politiker*innen allein aufgrund ihrer politischen Ansichten inhaftiert. Gefangene über 65 und kranke Gefangene werden durch diese diskriminierende Politik ebenfalls im Gefängnis festgehalten. Tausende Gefangene kämpfen ums Überleben. Es handelt sich um ein ungerechtes und diskriminierendes Vollzugsgesetz. Sowohl für Anwält*innen als auch für die Familienangehörigen ist Gerechtigkeit damit Geschichte.“