Gedenken an Tahir Elçi in Amed

In der Altstadt von Amed ist dem vor sechs Jahren ermordeten Menschenrechtsanwalt Tahir Elçi gedacht worden. Seine Witwe Türkan Elçi, Kolleg:innen und Politiker:innen forderten Gerechtigkeit und eine Bestrafung der Täter ein.

Sechs Jahre nach den tödlichen Schüssen auf Tahir Elçi ist am Ort des Anschlags im Altstadtbezirk Sûr in Amed (tr. Diyarbakir) an den kurdischen Menschenrechtsanwalt erinnert worden. Der ehemalige Präsident der Rechtsanwaltskammer Amed hatte im Oktober 2015 in einer politischen Diskussionsrunde des Senders CNN Türk erklärt: „Auch wenn manche Aktionen der PKK Terrorcharakter haben, ist die PKK keine Terrororganisation, sondern eine bewaffnete politische Bewegung, deren politische Forderungen eine große Unterstützung in der Bevölkerung genießen.“ Während solche Äußerungen auch von Politikern der AKP in der Phase des Waffenstillstandes ohne strafrechtliche Konsequenzen getätigt wurden, wurde Elçi kurz darauf festgenommen und nur unter Auflagen wieder entlassen. Am 28. November wurde er während einer Pressekonferenz in der Altstadt von Amed gezielt von einem Polizisten erschossen. Unmittelbar vor seinem Tod warb Tahir Elçi vor Journalisten für Frieden in der Region: „In diesem Gebiet, das Heimat so vieler Zivilisationen war, wollen wir keine Schüsse, keine Gewalt und keine Operationen“, sagte er, dann fielen Schüsse. Er wurde von einem Geschoss in den Kopf getroffen und verstarb vor Ort. Zu der Zeit galten in etlichen kurdischen Städten im Zuge der Militärbelagerung Ausgangssperren. Viele Orte wurden in der Folge regelrecht dem Erdboden gleichgemacht.

Für das heutige Gedenken trafen sich Anwältinnen und Anwälte vor dem Justizgebäude in Amed und gingen gemeinsam mit einem Transparent mit der kurdischen und türkischen Aufschrift „Wir vergessen Dich nicht“ zum Tatort. Das Justizgebäude und die Umgebung wurde einem großen Polizeiaufgebot belagert.

An dem Demonstrationszug nahmen neben Elçis Witwe Türkan Elçi und seinen Brüdern Ömer und Mehmet Elçi die Vorsitzenden der Anwaltskammern aus mehreren Provinzen sowie Politiker:innen der HDP, DBP und CHP teil.

Um 10.53 Uhr, dem Zeitpunkt der tödlichen Schüsse am 28. November 2016, wurde am Tatort vor dem Vierbeinigen Minarett eine Gedenkminute abgehalten und ein Lied von Ahmet Kaya gespielt. Danach folgte eine Wiedergabe der von Tahir Elçi vor seinem Tod abgegebenen Erklärung. Der Anwaltskammerpräsident von Amed, Nahit Eren, erklärte in einer Rede, dass die Behörden innerhalb der vergangenen sechs Jahre keine Anstrengungen unternommen haben, um das Verbrechen aufzuklären und die Täter zu verurteilen. Erst viereinhalb Jahre später hätten die Anwaltskammer und die Rechtsanwält:innen der Familie Elçi erreicht, dass Anklage erhoben worden sei.

Türkan Elçi sagte, dass sie auf der Suche nach Gerechtigkeit auf eine Betonmauer gestoßen sei: „Wir rufen seit sechs Jahren in das taube Ohr der Gerechtigkeit, aber wer hört uns?“ Danach wurden rote Nelken an dem Minarett abgelegt. Das Gedenkprogramm wird nachmittags am Grab von Tahir Elçi fortgesetzt.