Am Ort seiner Ermordung in Êlih (tr. Batman) ist dem kurdischen Politiker Mehmet Sincar gedacht worden. Der Abgeordnete der Demokratiepartei (DEP) wurde am 4. September 1993 im Alter von 39 Jahren in der Elma Sokağı von Auftragsmördern des tiefen Staates erschossen. Der Lokalpolitiker Metin Özdemir kam ebenfalls ums Leben, ein weiterer Parlamentarier, Nizamettin Toğuç, wurde schwer verletzt. Sincar und Toğuç waren aus Ankara angereist, um den Mord an Habib Kılıç, dem Kreisvorsitzenden der DEP in Êlih, zwei Tage zuvor zu untersuchen. In Êlih wurden die Parlamentarier dann selbst Opfer eines Anschlags.
„Die mörderische Mentalität, die verantwortlich ist für diese Anschläge, sollte wissen: Auch wenn noch hundert Jahre vergehen, bleiben wir den Tätern auf den Fersen“, sagte die HDP-Abgeordnete Feleknas Uca zu Beginn der Zusammenkunft. Ihren Blick hatte die ezidische Politikerin auf die Polizeieinheiten gerichtet, die zur Belagerung des Viertels angerückt waren. Die ganze Straße war im Vorfeld abgeriegelt worden, die Verlesung einer Erklärung wurde mit Verweis auf eine Unterlassung des Gouverneurs verboten. Anwesend waren unter anderem auch Nizamettin Toğuç, Angehörige der Toten, Aktivistinnen der kurdischen Frauenbewegung TJA und die abgesetzten Bürgermeister:innen Songül Korkmaz und Mehmet Demir.
Als die Menschenmenge sich dennoch um Uca herum versammelte, drängten Polizeibeamte die Gruppe unter dem Einsatz von Schlagstöcken und Schutzschilden auseinander. Die Parlamentarierin ließ sich nicht abschrecken und fuhr mit ihrer Ansprache fort. „Die Verantwortlichen des Mordes versuchen durch ihre Methode der unterlassenen Strafverfolgung zu erwirken, dass sie wegen fortgeschrittener Verjährung nicht mehr zu belangen sind. Doch wir werden die Täter nicht zur Ruhe kommen lassen. Unser Kampf geht weiter, bis Mehmet Sincar Gerechtigkeit widerfährt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Behinderung von Gedenken „Faschismus“
Dass eine Gedenkveranstaltung für einen ermordeten Politiker von staatlichen Behörden und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt behindert und Trauergäste schikaniert werden, bezeichnete Uca als „Faschismus“. Die ganze Welt solle sehen, was sich heute an jenem Ort abspielt, an dem Mehmet Sincar vor 28 Jahren kaltblütig niedergestreckt wurde. „Er war ein Parlamentsabgeordneter und gilt uns als Gefallener der Demokratie. Doch geht es nach der Polizei, dürften sich hier nur vier Personen zu einem Gedenken versammeln.“
Wegbereiter einer freien Gesellschaft
Mehmer Sincar sei „Wegbereiter einer freien Gesellschaft, Symbol des Widerstands und Pionier des Kampfes für die Anerkennung der Rechte der Kurdinnen und Kurden“ gewesen, fuhr Feleknas Uca fort. „An jenem Tag vor 28 Jahren kam er hierher, um Gerechtigkeit für seine ermordeten Freunde einzufordern. Sie töteten ihn mit acht Kugeln. Doch das von ihm hinterlassene Widerstandserbe haben Millionen von Menschen angetreten.“ Bevor sich die Menge verabschiedete, wurden rote Nelken am Tatort abgelegt.