Freispruch für Hasan Birlik

Hasan Birlik, Vater des kurdischen Schauspielers Hacı Lokman Birlik, dessen Leichnam 2015 von türkischen Sicherheitskräften an einem Panzerfahrzeug durch Şirnex geschleift wurde, ist vom Vorwurf der Terrorpropaganda freigesprochen worden.

Vor einem türkischen Gericht in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Şirnex (Şırnak) ging heute der Prozess gegen Hasan Birlik zu Ende. Der 77-jährige Vater des kurdischen Schauspielers Hacı Lokman Birlik, dessen Leichnam 2015 von türkischen Sicherheitskräften an einem gepanzerten Polizeifahrzeug durch Şirnex geschleift wurde, war im vergangenen Juni wegen Terrorvorwürfen angeklagt worden. Konkret warf ihm die Generalstaatsanwaltschaft Şırnak vor, Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Volksverhetzung betrieben zu haben. Begründet wurde die Anklage mit der Teilnahme des Mannes an der Beerdigung seines Sohnes und einem Foto von Hacı Lokman Birlik mit der Abbildung einer PKK-Fahne im Hintergrund, das Hasan Birlik während der Beisetzungszeremonie in den Händen hielt. Auch gegen neun Verwandte des Getöteten war ein Verfahren eingeleitet worden.

Bei der heutigen Verhandlung wies der Rechtsbeistand der Angeklagten auf Präzedenzfälle des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hin, bei denen die Straßburger Richter eindeutig klarstellten, dass Haftstrafen aufgrund der Teilnahme an Beerdigungen gegen die Bestimmungen des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung verstoßen, und forderten Freisprüche für ihre Mandanten. Die Staatsanwaltschaft hingegen beantragte gegen sieben der insgesamt zehn Angeklagten, darunter auch Hasan Birlik, verschieden hohe Freiheitsstrafen. Die Richter der 2. Strafkammer von Şırnak teilten die Ansichten der Staatsanwaltschaft nicht und sprachen die Angeklagten frei. Eine Straftat konnte nicht nachgewiesen werden, hieß es in der Urteilsbegründung.

Zum Hintergrund:

„Ich lasse meine Soldaten und Polizisten keine Kadaver transportieren“. So lautete der Kommentar eines türkischen Polizisten, der am 3. Oktober 2015 über den Kurznachrichtendienst Twitter ein Bild des Leichnams von Hacı Lokman Birlik verbreitete. Auf dem Bild war ein gepanzertes Polizeifahrzeug zu sehen, das die Leiche des 24-Jährigen an einem um dessen Hals gebundenen Seil über die Pflastersteine im Zentrum von Şirnex zog. Zu der Zeit herrschte in Şirnex eine staatlich verhängte Ausgangssperre, die Stadt wurde vom Militär faktisch belagert. Später wurde auch ein Video von der Szene veröffentlicht, in der Birliks Leiche durch die Straßen geschleift wird.

Augenzeugen berichteten, dass sich Birlik zuvor am Straßenrand eine Verletzung am Fuß verbinden wollte, als er aus dem vorbeifahrenden Fahrzeug „exekutiert“ wurde. Die Polizisten hätten noch auf ihn geschossen, als er sich nicht mehr bewegte. Wie es in dem Obduktionsbericht heißt, waren 17 der insgesamt 28 auf Birlik abgegebenen Schüsse tödlich.

Auch die mittlerweile per staatlichem Notstandsdekret verbotene Nachrichtenagentur Dicle Haber Ajansı (DIHA) berichtete damals, dass der Körper Birliks „zahlreiche“ Einschüsse aufwies.

Die Anwälte der Familie Birlik erstatteten Anzeige wegen Mord, Störung der Totenruhe und Amtsdelikt. Sechs Täter wurden ermittelt, ganze sechs Staatsanwälte sind bisher mit dem Fall „betraut“ worden. Eine Verhandlung ist aber auch mehr als vier Jahre danach noch immer nicht abzusehen.