Flüchtlinge im Kirchenasyl werden mit Ablehnungen sanktioniert

Aus einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung geht hervor, dass immer mehr Schutzsuchende von Deutschland in andere EU-Staaten überstellt werden. Besonders betroffen sind dabei Menschen, die von Gemeinden im Kirchenasyl geschützt werden.

Aus einer Regelanfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, zu Dublin-Überstellungen, also Abschiebungen von Schutzsuchenden aus Deutschland in ihren Erstankunftsstaat in der EU, geht hervor, dass selbst bei schwersten Härtefällen Schutzsuchende häufig sogar in die Obdachlosigkeit abgeschoben werden. Kirchen beklagten in einem offenen Brief an die Bundesinnenministerkonferenz, dass es einen „Kurswechsel“ des BAMF im Umgang mit im Kirchenasyl befindlichen Schutzsuchenden gebe. Sie kritisierten, es gäbe so gut wie gar keine positiven Entscheidungen mehr.

Die Zahlen aus der Antwort der Bundesregierung belegen diesen Trend nun eindrucksvoll. Demnach gab es im Jahr 2019 bis Ende April nur noch zwei Kirchenasyl-Fälle, in denen das BAMF entschieden hat, das Asylverfahren aus humanitären Gründen in Deutschland zu betreiben, obwohl formell betrachtet ein anderes EU-Land zuständig wäre, das heißt einen sogenannten Selbsteintritt durchzuführen. Im gleichen Zeitraum wurden 145 ablehnende Entscheidungen getroffen, also nur 1,4 Prozent der Fälle von Kirchenasyl wurden positiv beschieden. Dabei ist anzumerken, dass Kirchenasyl meist extreme Härtefälle umfasst. Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ kritisiert:

„Positive Voten aus dem BAMF gibt es so gut wie gar nicht mehr. Dies liegt unserer Beobachtung nach an einseitig veränderten Kriterien des BAMF, nicht an den geschilderten Härten: Selbst hoch suizidale Menschen, Opfer von Menschenhandel oder demente Senioren mit nahen Angehörigen in Deutschland werden nicht mehr als besondere Härtefälle anerkannt. Die Begründungen sorgen bei Gemeinden, den Kirchen, Fachärzten für Unverständnis.“

Im Jahr 2018 machte das BAMF noch in 11,9 Prozent der Fälle von Kirchenasyl vom Selbsteintritt Gebrauch, was ebenfalls einen Rückgang zum Vorjahr beschreibt. 2015/16 hat die Quote laut der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ bei 80 Prozent gelegen, ist dann aber im Mai 2016 auf 20 Prozent gefallen.

Ulla Jelpke spricht von einem Exempel, das hier an widerständigen Flüchtlingen und Kirchengemeinden statuiert werden soll: „Kirchenasyl wird praktisch nicht mehr anerkannt: Bis Ende April diesen Jahres wurde nur noch in zwei von 145 Fällen Schutzsuchenden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Möglichkeit gegeben, ihr Verfahren in Deutschland zu betreiben. Die Zahlen lassen vermuten, dass bewusst ein Exempel gegenüber den aktiven Kirchengemeinden statuiert werden soll, um sie – und die Geflüchteten, die sich an sie wenden – zu entmutigen. Das ist inakzeptabel und widerspricht christlichen Werten.“

Überstellungen nach Italien an erster Stelle

Weiter geht aus der Antwort der Bundesregierung hervor, dass 18,1 Prozent der Dublin-Überstellungen aus Deutschland nach Italien gehen. In Italien sitzen die Schutzsuchenden dann in den meisten Fällen auf der Straße, dennoch werden Alte und sogar Familien mit Kindern in das von der neofaschistischen Lega regierte Land geschickt. Dabei wurden 2.058 Personen im ersten Quartal 2019 überstellt, 27,1 Prozent von ihnen nach Italien.

Zahl der Selbsteintritte weiter gesunken

Auch die allgemeine Zahl der Selbsteintritte ist im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum vorherigen deutlich von 1.795 auf 1.537 gesunken. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf Griechenland, wo Schutzsuchende ebenfalls einfach nur auf der Straße landen. Vergleicht man den allgemeinen Rückgang mit dem Rückgang bei den Fällen von Kirchenasyl, so fällt dieser wesentlich drastischer aus. Ein weiteres Indiz dafür, dass hier Schutzsuchende im Kirchenasyl abgestraft und demoralisiert werden sollen.

Schutzsuchenden wird Versorgung in Deutschland vollständig gestrichen

Vergangene Woche wurde das „Geordnete Rückkehrgesetz“ beschlossen. Das besagt, dass in anderen EU-Ländern anerkannte Flüchtlinge künftig nach zwei Wochen keinerlei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr erhalten. Dieses Vorgehen ist offen verfassungswidrig und betrifft eine wachsende Zahl von Betroffenen. So wurden im 1. Quartal 2019 2.949 Personen festgestellt, die bereits einen Status in einem anderen Mitgliedsstaat besitzen. Sie sind häufig nach Deutschland gekommen, weil sie in Ländern wie Italien, Ungarn oder Griechenland nur auf dem Papier Schutz erhalten, aber effektiv auf der Straße sitzen und hungern.

Ulla Jelpke kommentiert: „Wer glaubte, die rechtsstaatswidrige Strategie der Aushungerung unerwünschter Flüchtlinge würde nur wenige Menschen betreffen, irrt: Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es 3.000 Menschen, auch Familien mit Kindern, die künftig mittellos auf der Straße landen werden, wenn es nach dem Willen der Koalition geht. So will man sie zur Rückkehr in ein Land zwingen, in dem sie zwar formell einen Schutzstatus erhalten haben, aber keinerlei Sicherheit oder Existenzmöglichkeit für sich sahen. Das ist ein schäbiger innereuropäischer Wettbewerb darum, wer Flüchtlinge am schlechtesten behandelt.“