Eren Keskin: Staat muss sich mit Vergangenheit auseinandersetzen

Die Rechtsanwältin Eren Keskin ist Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD. Auf dem Symposium „Menschenrechte für alle“ in Adana erklärte sie: „Dieser Staat kann sich erst ändern, wenn er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt.“

Die Zweigstelle des IHD in Adana veranstaltet ein einmonatiges Symposium zum Thema „Menschenrechte für alle“. Auf dem Programm stehen die Workshops „Kampf gegen Diskriminierung“, „Meinungsfreiheit und Straflosigkeit“, „Recht auf Frieden“ und „Recht auf Leben“.

Heute fand der erste Workshop, der von Eren Keskin und Feray Salman von der Menschenrechtsplattform (IHOP) angeleitet wurde, in den Räumlichkeiten der Anwaltskammer Adana statt.

Gründungsideologie der Türkei ist diskriminierend

Eren Keskin ging in ihrem Eingangsreferat auf das Thema Diskriminierung im Rechtswesen ein. Diskriminierung sei kein neues Phänomen, erklärte sie. Um die Grundlagen festzustellen, müsse man im Jahr 1915 beginnen, da bereits die Gründungsideologie der Republik Türkei diskriminierend sei: „Die Gründung dieser Republik basiert auf der Diskriminierung kurdischer, alevitischer, pontosgriechischer und anderer Bevölkerungsteile.“

Auch im Rechtswesen gebe es Diskriminierung, fuhr Eren Keskin fort: „Richter und Staatsanwälte wissen oft nichts von internationalen Abkommen, die von der Türkei ratifiziert worden sind.“

Keine Entwicklung in der staatlichen Geisteshaltung

Zwar gebe es im Rechtssystem gewisse Verbesserungen, in der Geisteshaltung des Staates sei jedoch keine Entwicklung zu verzeichnen: „Folter ist staatliche Politik. Zu keiner Zeit ist Folter derartig legitimiert worden wie heute. Wer Menschen foltert und ihre Körper in den sozialen Medien zur Schau stellt, wird nicht angeklagt. Stattdessen werden diejenigen angeklagt, die die Folterer vor Gericht sehen wollen. Der Staat an sich ist diskriminierend und rassistisch.“

Am stärksten von Diskriminierung betroffen seien kranke Gefangene und Flüchtlinge, betonte die Rechtsanwältin, die abschließend erklärte: „Ich glaube, dass dieser Staat sich niemals ändern wird. Er kann sich erst ändern, wenn er sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzt. Und wir müssen hinterfragen, inwieweit wir diesem Staat ähneln.“