Eine internationale Frauendelegation befindet sich seit dem 8. Dezember für Gespräche mit verschiedenen Institutionen über die Menschenrechtslage in der Türkei. Die Delegation besteht aus sieben Frauen, die in verschiedenen Ländern in den Bereichen Politik, Recht, Ökologie und Zivilgesellschaft arbeiten. Nach Gesprächen in Istanbul und Amed (tr. Diyarbakir) hat die Gruppe auf einer Pressekonferenz im Istanbuler Büro der Vereinigung „Jurist:innen für Freiheit“ (ÖHD) ihre Eindrücke geschildert und Forderungen formuliert.
Die DEM-Abgeordnete Ceylan Akça gab eine einleitende Erklärung ab und sagte, dass die Frauen aus Schottland, Katalonien, England, Libanon und Mexiko für einen Austausch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Türkei gekommen sind und sich insbesondere auf Frauenorganisationen konzentriert haben. Der Besuch habe unter dem Eindruck des Kampfes für eine Lösung der kurdischen Frage und die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan stattgefunden: „Wir befinden uns in einem Klima, in dem alle Rechte der Kurdinnen und Kurden angegriffen werden. Die Delegation hatte die Möglichkeit, dieses Klima zu beobachten, und wird diese Beobachtungen weitergeben."
Video: MA
Eva Schonveld, Mitglied der Delegation aus Schottland, trug anschließend eine gemeinsame Erklärung vor und sagte: „Wir sind während der Menschenrechtswoche hierher gekommen und haben uns die Probleme der kurdischen und anderer Minderheiten angehört. Dabei haben wir Statements von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen gesammelt. Diese Menschen waren entweder politische Gefangene oder Menschen, die sie unterstützen. Es gab einen besonderen Punkt, den wir als Delegation hervorgehoben haben. Es ging um die Inhaftierung von Abdullah Öcalan, dem demokratischen Anführer des kurdischen Volkes, und die ihm auferlegte Isolation. Die Aussagen, die wir gehört haben, zeigen, dass die Türkei systematisch die Grundrechte des kurdischen Volkes verletzt. Abdullah Öcalan und die politischen Gefangenen sind die Hauptleidtragenden dieser Verletzungen. Internationale Konventionen besagen, dass niemand der Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen werden darf."
Die Delegation habe bei ihren Besuchen erfahren, dass sich die Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali in allen Gefängnissen widerspiegele, so Eva Schonveld: „Diese Gefangenen können nicht mit anderen Gefangenen kommunizieren. Manchmal ist es ihnen nur erlaubt, eine Stunde außerhalb der Zelle zu verbringen. Manchmal ist nicht einmal das erlaubt. Nach internationalen Standards ist eine lange und ununterbrochene Isolation eine grausame Praxis und eine Form der Folter. Genau das geschieht in der Türkei. Wir haben auch gehört, dass selbst kranke Gefangene dieser Folter ausgesetzt sind. Wie wir gesehen haben, machen Nichtregierungsorganisationen mit bemerkenswerten Berichten darauf aufmerksam. Die Türkei hat bei den Menschenrechten versagt. Wir haben gehört, dass Menschen, deren Angehörige im Gefängnis gestorben sind, daran gehindert wurden, ihre Leichen zu begraben. Diejenigen, die sie dazu zwangen, waren die Polizei und das Militär. Die Situation der weiblichen Gefangenen bereitet uns besondere Sorgen. Es gibt Fälle, in denen sich mehr als 50 Gefangene eine einzige Toilette teilen. Dies ist sowohl für die physische als auch für die psychische Gesundheit der Frauen entwürdigend."
„Wir unterstützen die Forderungen der Gefangenen im Hungerstreik“
Eva Schonveld wies darauf hin, dass dies Praktiken sind, die durch internationales Recht und Konventionen verboten sind: „Gegen solche Praktiken und Bedingungen protestieren die kurdischen Gefangenen mit dem einzigen Mittel, das ihnen zur Verfügung steht: dem Hungerstreik. Diese Aktion begann vor 19 Tagen. Wir sind nicht nur um sie besorgt, sondern auch um den psychischen und physischen Zustand ihrer Familien, die weit weg sind. Als Delegation unterstützen wir die Forderung nach einem Ende der Isolation von politischen Gefangenen und Abdullah Öcalan. Wir haben klare Beweise dafür gesehen, dass das türkische Rechtssystem als juristische Methode zur Unterdrückung des kurdischen Volkes eingesetzt wird. Wir sehen, dass demokratisch gewählte Kommunalverwaltungen durch AKP-Verwalter ersetzt worden sind. Während unserer Interviews haben wir viele Menschen getroffen. Es sind Menschen, die sich für die kurdische Sprache und Kultur einsetzen und die in ständiger Angst leben, festgenommen zu werden. Sie werden beschuldigt, mit einer terroristischen Organisation zusammenzuarbeiten. Wir verurteilen die Beschlagnahme des politischen Willens des kurdischen Volkes als Mittel der ethnischen Säuberung mit dem erwähnten Vorwurf des Terrorismus. Es gibt europäische Staaten, die sich dem türkischen Druck gebeugt haben und die PKK als terroristische Organisation bezeichnen.“
Die Isolierung von Abdullah Öcalan und der weiteren politischen Gefangenen sei nicht unabhängig von den militärischen Angriffen der türkischen Armee auf Nord- und Ostsyrien, betonte Eva Schonveld und sagte weiter: „Wir haben uns auch mit Müttern getroffen, die ihre Kinder entweder im Gefängnis oder durch staatliche Gewalt verloren haben. Wir möchten diesen Müttern direkt sagen, dass wir ihre Hingabe und ihren Mut bewundern. Wir tragen ihre Geschichten in unseren Herzen. Diese Mütter arbeiten unermüdlich daran, angesichts der ständigen Angriffe und Einschüchterungen Gerechtigkeit zu erlangen. Wir haben auch von Frauenrechtsorganisationen über die Zunahme von Gewalt gegen Frauen gehört. Sie wird auch von der Polizei ausgeübt. Bei einigen Morden an Frauen werden keine Sanktionen gegen die Täter verhängt. Wir haben gehört, dass festgenommene Frauen gefoltert und misshandelt wurden, weil sie ihre Kultur ausüben oder nach ihren vermissten Angehörigen suchen wollten. Zusätzlich zu dieser Gewalt sind kurdische Frauen einem kulturellen Völkermord ausgesetzt. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention ist ein deutliches Signal. Er zeigt, dass die türkische Regierung die Rechte von Frauen nicht respektiert.“
Die Delegation habe außerdem einen rassistischen Diskurs der türkischen Regierung hinsichtlich von Geflüchteten und Vertriebenen beobachtet: „Das wird zu verstärkten Spannungen innerhalb der Gesellschaft führen und die flüchtlingsfeindliche Stimmung verstärken. Die Erdoğan-Regierung manipuliert diese Situation für ihre eigenen politischen Interessen. Diese wachsende humanitäre Krise wird von Großbritannien und Europa unterstützt, wir verurteilen diese Länder. Die Tatsache, dass diese Situation politischen Interessen dient, hat faschistische Konsequenzen. Als wir hier waren, haben wir nur einen kleinen Teil dessen mitbekommen, was die Menschen erleben. Sie sagten uns: ,In der Türkei haben die Urteile des EGMR keine Bedeutung.' Wir machen uns echte Sorgen um das kurdische Volk. Die Unterdrückung einer Gemeinschaft bedeutet die Unterdrückung der gesamten Bevölkerung."
Forderungen der Delegation
Eva Schonveld listete die Forderungen der Delegation wie folgt auf:
- Die Istanbul-Konvention muss wieder unterzeichnet werden.
- Die EU-Mitgliedsstaaten müssen sofortige Maßnahmen gegen die Unterdrückung des kurdischen Volkes und anderer Minderheiten ergreifen.
- Die Angriffe auf Rojava müssen sofort gestoppt werden, die Besatzer müssen sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen.
- Die Isolation von Abdullah Öcalan muss aufgehoben werden, er muss als demokratischer Gesprächspartner anerkannt und dementsprechend freigelassen werden.
- Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden.
- Unsere eigenen und alle anderen Staaten müssen die PKK von der Liste terroristischer Organisationen streichen und eine demokratische Lösung der kurdischen Frage ermöglichen.
Foto: Transparent mit der Aufschrift „Isolation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit"