Bis zu 92 Schutzsuchende sterben im Atlantik

Ein Schiff trieb einen Monat lang mit über 130 Schutzsuchenden auf dem Atlantik. Nur 38 der Insass:innen überlebten. Bereits am 20. Juli wurde den Behörden in vier Staaten der Beginn der Reise gemeldet.

Der Fall eines Boots mit Schutzsuchenden, das am 14. August vor den Kapverdischen Inseln aufgebracht wurde, wirft erneut ein düsteres Licht auf die europäische Abschottungspolitik. Das Boot war am 10. Juli mit etwa 130 Personen an Bord in Fass Boye im Senegal Richtung Kanarische Inseln gestartet. Es trieb in Richtung Kapverdische Inseln und wurde von einem Fischerboot vor der Küste der kapverdischen Insel Sal am 14. August entdeckt. Von den etwa 130 Insass:innen überlebten nur 38. An Bord befanden sich noch sieben Leichen.

Diese Todesfälle stehen in direktem Zusammenhang mit der europäischen Abschottungspolitik, die Migrant:innen zu immer gefährlicheren Wegen zwingt. Aber das ist nicht alles. Es wurde nun bekannt, dass diese Todesfälle hätten verhindert werden können. Die spanische Nichtregierungsorganisation „Caminando Fronteras“ hatte bereits am 20. Juli die Behörden von vier Staaten über das Boot informiert. Caminando Fronteras erklärte: „Die Verwandten der Menschen an Bord informierten uns, dass sie am 10. Juli abgefahren sind und 130 Menschen an Bord waren. Wir haben unser Suchprotokoll aktiviert und die Behörden der entsprechenden Länder (Senegal, Mauretanien, Marokko und Spanien) über den Notfall auf der Strecke zwischen Senegal und den Kanarischen Inseln informiert.“

Ein Monat auf Irrfahrt

Doch die Behörden ließen das Boot offenbar einen Monat lang auf der gefährlichsten Migrationsroute treiben. Helena Maleno Garzón, die Gründerin von Walking Borders, berichtete am 23. Juli in einem Tweet über das Boot: „Ein senegalesisches Fischerboot mit mehr als 120 Menschen an Bord wird vermisst. Sie sind vor 14 Tagen ausgelaufen, und die verzweifelten Familien bitten um verstärkte Suchaktionen." Zuerst hieß es in Berichten, das Schiff sei gesunken, aber die Behörden klärten später, dass es vom spanischen Fischerboot Zillarri entdeckt wurde, das die kapverdischen Behörden alarmierte. Ein Beamter der tropischen Thunfischfanggesellschaft Pevasa, die die Zillarri betreibt, sagte, die Überlebenden hätten um Hilfe gebeten und seien in einem „schlechten Zustand“ gewesen. Laut der UN-Organisation IOM sind unter den Überlebenden vier Minderjährige im Alter von 12 bis 16 Jahren. Die IOM kritisiert, dass nicht ausreichend nach dem Boot gesucht wurde und die Todesfälle hätten verhindert werden können.

Nur ein Drittel der Boote erreicht die Kanaren

Die Migrationsroute über den Atlantik ist äußerst gefährlich. Berichten zufolge kommt nur eines von drei Booten aus Westafrika auf den Kanaren an. Diese Situation ist kaum überschaubar. Die IOM schreibt: „Es mangelt an sicheren und regulären Migrationswegen, was Schmugglern und Menschenhändlern die Möglichkeit gibt, Menschen auf diese tödliche Reise zu schicken." Insbesondere die Abschottung der Mittelmeerroute führt dazu, dass immer mehr Menschen auf die noch gefährlichere Atlantikroute ausweichen.

Nach Angaben der IOM sind seit Anfang 2023 mindestens 324 Menschen gestorben, die versuchten, von Westafrika aus die Kanarischen Inseln zu erreichen – die Opfer des Vorfalls vom Dienstag nicht eingerechnet. Walking Borders vermutet, dass die tatsächliche Zahl fast dreimal so hoch sein könnte. Im Gegensatz zum Mittelmeer ist die Überwachung der Atlantikroute äußerst lückenhaft. Daher verschwinden viele Boote einfach vom Radar oder werden nie entdeckt.

In einer Untersuchung von AP im Jahr 2021 wurde festgestellt, dass sieben Boote mit Schutzsuchenden auf der Atlantikroute abtrieben und mit nur noch Leichen an Bord die Karibik und sogar Brasilien erreichten.