35 weitere Opfer der europäischen Abschottungspolitik

35 Schutzsuchende sind auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln ertrunken. 24 Personen konnten von der marokkanischen Küstenwache gerettet werden.

Die Zahl der Toten auf dem Weg nach Europa wächst ständig. Nachdem vergangene Woche mehr als 500 Schutzsuchende im Mittelmeer ertranken, werden nun mindestens 35 Tote von der Atlantikroute auf die von dem spanischen Staat verwalteten Kanarischen Inseln gemeldet. Das mit bis zu 60 Migrant:innen beladene Schlauchboot brach in Agadir (Marokko) auf und sank am Mittwochmorgen, nachdem die Menschen zwölf Stunden auf Rettung hatten warten müssen. Nach Angaben der NGO Caminando Fronteras werden 39 Personen vermisst, laut Alarm Phone sind es 35. Für die Vermissten besteht praktisch keine Überlebenschance. Die spanische Küstenrettung berichtet, dass die marokkanischen Behörden 24 Personen gerettet hätten. Ein spanischer Hubschrauber habe in der Zwischenzeit zwei Leichen entdeckt und eine davon geborgen.

„Das Boot geriet in Schwierigkeiten und sank“, sagte ein Sprecher der Küstenrettung. „Die marokkanischen Behörden haben eine Rettungsaktion eingeleitet und uns mitgeteilt, dass eines ihrer Patrouillenboote heute Morgen 24 Personen gerettet hat. Sie baten uns um Hilfe, und einer unserer Hubschrauber barg die Leiche eines Minderjährigen, der zum Flughafen von Gran Canaria gebracht wurde. Später fand ein Containerschiff, das an der Suchaktion teilnahm, eine weitere Leiche.“ Der Sprecher fügte hinzu: „Wir wissen nicht genau, wie viele Menschen verschwunden sind, aber es könnten bis zu 60 Personen an Bord des Schlauchbootes gewesen sein.“ Der Sprecher berichtete weiter, dass 51 Menschen vor der Küste von Lanzarote am Mittwochmorgen aus Seenot gerettet werden konnten.

Zwölf Stunden Martyrium

Caminando Fronteras und Alarm Phone warfen den spanischen und marokkanischen Behörden vor, sie hätten den Menschen auf dem Schlauchboot schneller helfen können – zu Recht, denn die Menschen auf dem Schlauchboot hatten zwölf Stunden auf Rettung gewartet. Helena Maleno, Vorsitzende von Caminando Fronteras, sagt: „60 Menschen – darunter sechs Frauen und ein Baby – mehr als zwölf Stunden lang in einem instabilen Schlauchboot, das jederzeit sinken kann, auf Rettung warten zu lassen, ist eine Tortur.“ Alarm Phone, das die ganze Nacht versucht hatte, die Küstenwache zu erreichen, erklärte via Twitter: „Havarie im Atlantik! Wir haben erfahren, dass von den 59 Schiffbrüchigen nur 24 Personen von der marokkanischen Marine abgefangen wurden. Mindestens 35 Menschen werden noch vermisst. Warum hat niemand früher eingegriffen?“

Dass Alarm Phone die Küstenwache bereits in der Nacht verzweifelt zu erreichen versucht hat, lässt sich auf einem Twitter-Thread nachvollziehen. Darin heißt es am Mittwochmorgen vor der Havarie: „Schwere Notlage auf der Atlantikroute! Die 59 Menschen an Bord, die Agadir verlassen hatten, berichten von Wasser im Boot und drei Todesfällen. Die Behörden sind alarmiert, aber Marine Royale war die ganze Nacht nicht zu erreichen. Wir fordern sofortige Rettung! Lasst sie nicht im Stich!“

Abschottung über Leichen

Nach UN-Angaben sind in diesem Jahr auf der Atlantikroute bereits 89 Menschen gestorben. Die reale Zahl dürfte aufgrund der Gefährlichkeit des Atlantiks und der schlechten Dokumentation der Todesfälle weit höher liegen. Während durch den industrialisierten Kapitalismus, seine Kriege und Umweltzerstörung die Fluchtursachen zunehmen, schottet sich Europa immer brutaler ab und geht dabei über die Leichen von schutzsuchenden Erwachsenen und Kindern.