AfD-Politiker unterliegt vor Gericht gegen Sea-Eye

Ein Berliner AfD-Politiker darf weiterhin nicht behaupten, das Rettungsschiff „Alan Kurdi” habe den Attentäter von Nizza nach Europa gebracht. Das Landgericht Berlin bestätigte eine von der Organisation Sea-Eye beantragte einstweilige Verfügung.

Der Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski darf weiterhin nicht behaupten, das Rettungsschiff „Alan Kurdi” habe den Attentäter von Nizza nach Europa gebracht. Das Landgericht Berlin bestätigte am Donnerstag die von der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye beantragte einstweilige Verfügung gegen den AfD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus. (27 O 411/20)

Pazderski hatte sich bei seiner Äußerung im digitalen Netzwerk Facebook auf den islamistischen Terroranschlag in der südfranzösischen Hafenstadt Nizza bezogen. Dort hatte ein 21-jähriger Tunesier Ende Oktober drei Menschen in der Kirche Notre-Dame-de-l’Assomption mit einem Messer getötet.

Wenig Substantielles von Pazderski-Anwalt

Dem Gerichtsurteil vorausgegangen war eine mündliche Verhandlung. Pazderski selbst nahm nicht teil und ließ sich von der Kanzlei Höcker aus Köln vertreten, der auch der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen bis vor kurzem angehörte. Der Richter der 27. Zivilkammer des Berliner Landgerichts stellte laut einer Mitteilung von Sea-Eye einleitend unmissverständlich klar, dass der AfD-Politiker keine Vermutung geäußert habe und sich selbst auch nicht darauf berufen könne „Laie“ zu sein, weil „Migration und Flucht“ bekanntermaßen sein politisches Schwerpunktthema ist.

„Wie spricht man Namen der Alan Kurdi überhaupt richtig aus“

Der Rechtsanwalt des AfD-Politikers habe hingegen wenig Substantielles vorgetragen. „Wir sehen es halt anders“, erwiderte Dr. Christian Conrad von der Kölner Kanzlei auf die klare Einschätzung des Richters und bezeichnete die Sicht des Gerichts als „dogmatisch“. In Richtung des Sea-Eye-Vorsitzenden habe Conrad mit einem Lächeln gefragt, wie man den Namen der Alan Kurdi denn überhaupt „richtig ausspreche“.

Hassnachrichten, Anschuldigungen und Morddrohungen nach Posting

Der Verein Sea-Eye hatte nach dem tausendfach geteilten Beitrag des AfD-Politikers Hassnachrichten, Anschuldigungen und Morddrohungen erhalten. Die Organisation stellte klar, dass die Behauptung nicht den Tatsachen entspricht und erstattete Strafanzeige gegen Pazderski. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums gelangte der 21-jährige Attentäter gemeinsam mit etwa 20 Landsleuten im Rahmen einer eigenständigen Landung von der tunesischen Hafenstadt Sfax auf die Mittelmeerinsel Lampedusa. Somit befand er sich auch nicht an Bord der Alan Kurdi oder eines anderen Seenotrettungsschiffes.

Isler: Systematisches Vorgehen bei AfD, Gesellschaft zu spalten

„Es ist systematisch, wie AfD-Politiker*innen immer wieder Unsägliches von sich geben, um die Gesellschaft zu spalten und Hass zwischen den Menschen zu schüren. Es ist wichtig, sich zu wehren, denn für Sea-Eye engagieren sich mehr als 700 Menschen bundesweit, deren Sicherheit durch die Verbreitung solcher Lügen bewusst gefährdet wird“, sagte Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye. Es bleibt also bei der bereits am 3. November 2020 erlassenen einstweiligen Verfügung gegen Pazderski. Ihm ist demnach weiterhin die betreffende Äußerung in einem Posting vom 31. Oktober letzten Jahres untersagt.

Bei Wiederholung drohen 250.000 Euro Strafe

Sollte der AfD-Politiker seine Behauptung wiederholen, droht ihm eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro. Die Kosten des Verfahrens muss Georg Pazderski tragen. „Das Gericht hat klargestellt, dass ein Berufspolitiker eine erhöhte Pflicht hat, die Richtigkeit seiner Beiträge zu überprüfen. Gegen diese Pflicht hat Pazderski in erheblichem Maße verstoßen. Ob er dieses Urteil akzeptieren wird oder in Berufung geht, bleibt abzuwarten“, sagt Jeremias Mameghani, Rechtsanwalt von Sea-Eye. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann Berufung beim Kammergericht eingelegt werden.