Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt
Das Bundesinnenministerium hat bekanntgegeben, die Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.
Das Bundesinnenministerium hat bekanntgegeben, die Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.
Bis zuletzt hatte sich insbesondere das deutsche Bundesinnenministerium für Abschiebungen nach Afghanistan um jeden Preis eingesetzt. Am Mittwoch gab das Innenministerium jedoch bekannt, die Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Bundesinnenminister Seehofer (CSU erklärte: „Die Sicherheitslage vor Ort ändert sich derzeit so rasant, dass wir dieser Verantwortung weder für die Rückzuführenden noch für die Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung gerecht werden können.“ Woher die plötzliche Kehrtwende kommt, ist unklar, denn noch am Vormittag hatte Seehofer seinen Sprecher verkünden lassen, man wolle „Ausreisepflichtige so schnell wie möglich zurückführen“, auch nach Afghanistan.
Hinter den Kulissen geht es weiter ums Abschieben
Offenbar war Seehofer am Mittwoch damit gescheitert, einen Abschiebeflug nach Kabul nachzuholen. Allerdings kündigte der Minister an, dass sobald es die Lage zulässt, Straftäter und Gefährder wieder nach Afghanistan abgeschoben werden. Dies ist völkerrechtswidrig, denn niemand darf in eine lebensbedrohliche Situation abgeschoben werden.
Wie wir bereits berichtet hatten, drängte das Bundesinnenministerium, zusammen mit Regierungen von fünf weiteren EU-Staaten, erst vor wenigen Tagen die EU-Kommission dazu, Afghanistan unter Druck zu setzen, wieder Abschiebungen aus der EU anzunehmen. Es steht zu befürchten, dass dieses Drängen des Bundesinnenministeriums hinter den Kulissen weitergeht und jedes mögliche Fenster für Abschiebungen genutzt werden soll. Daher ist zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit Gebot der Stunde.
ProAsyl: „Entscheidung ist lange überfällig – BAMF muss Entscheidungspraxis ändern“
Der Geschäftsführer Günter Burkhardt der flüchtlingspolitischen NGO ProAsyl begrüßt die Aussetzung der Abschiebungen nach Afghanistan als „mehr als überfällig“ und fordert: „Jetzt muss sich auch die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ändern. Afghanen brauchen Schutz. Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan, es gibt keinen internen Schutz vor der Taliban.“ Mit der Argumentation, von den Taliban Verfolgte könnten in Großstädten wie Herat, Mazar-i-Sharif, Kunduz oder Kabul sicher leben, wurden in der Vergangenheit Afghan:innen vom BAMF abgelehnt.
„Ortskräfte und Gefährdete ausfliegen“
ProAsyl fordert weitere Ad-Hoc-Maßnahmen: „Ortskräfte, die in Afghanistan für deutsche Institutionen tätig waren und durch den Vormarsch der Taliban jetzt in großer Gefahr sind, und andere Gefährdete müssen ausgeflogen werden. Dazu gehören auch alle, die für Subunternehmer der Bundeswehr oder die GIZ gearbeitet haben.“
Visastelle in Kabul weiter für Familiennachzug geschlossen
ProAsyl ist zudem in großer Sorge, dass auch der Familiennachzug aus Afghanistan zu in Deutschland lebenden Schutzberechtigten vollständig zum Erliegen kommt. Die Visa-Abteilung der Deutschen Botschaft in Kabul ist geschlossen, Visaanträge auf Familiennachzug müssen in Islamabad oder Neu-Delhi gestellt werden, was kurzfristig nicht möglich ist. „Auch hier müssen unbürokratische Lösungen gefunden werden, denn auch die Familienangehörigen von nach Deutschland Geflohenen sind in Gefahr“, fordert Günter Burkhardt abschließend.