24-Jähriger seit acht Jahren unschuldig im Gefängnis

Der 24-jährige politische Gefangene Çekdar Yürek sitzt seit acht Jahren aufgrund fingierter Ermittlungen der Polizei in der Türkei in Haft. Im April stand seine vorzeitige Entlassung an, doch er wurde Opfer der türkischen Willkürjustiz.

Der im T-Typ-Gefängnis in Tekirdağ inhaftierte politische Gefangene Çekdar Yürek sollte bereits vor rund einem halben Jahr vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Zu dem Zeitpunkt hatte der heute 24-Jährige Zweidrittel der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt. Doch aufgrund willkürlicher Einwände der Gefängnisleitung wird Çekdar Yürek weiterhin in Geiselhaft gehalten. 2011 war der in der Zwischenzeit an Gelbsucht erkrankte Gefangene wegen „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ und dem „Besitz gefährlicher Substanzen“ zu einer Haftstrafe von elf Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Am 22. April dieses Jahres hätte im Rahmen einer strafvollzugsrechtlichen Regelung für zeitige Freiheitsstrafen seine Haftentlassung erfolgen müssen. Dennoch wird der noch offene Strafrest nicht ausgesetzt. Die Hintergründe sind nicht etwa Disziplinarmaßnahmen, sondern ein Bericht des Gefängnisdirektors an das zuständige Strafgericht, in dem der Beamte seine „Überzeugung“ zum Ausdruck bringt, dass der Gefangene seine vermeintlichen Verbrechen nicht bereue und nicht bereit sei, sich in die Gesellschaft zu integrieren. 

Gegen diese Willkürjustiz hat sich innerhalb der Familie von Çekdar Yürek Protest formiert. Seine Mutter Aynılmet führt seit dem 19. September vor dem Gerichtsgebäude Tekirdağ täglich einen Sitzstreik durch. Sein Vater Nihat hält sich derzeit in Ankara auf, um sein Anliegen im Parlament zur Sprache zu bringen. Im Gespräch mit unserer Agentur schildert Nihat Yürek die Umstände, die zur Verhaftung seines Sohnes führten.

‚Mein Sohn ist Opfer eines Polizeikomplotts‘

2011 sei sein damals 16-jähriger Sohn Çekdar anhand fingierter Ermittlungen festgenommen worden, berichtet Nihat Yürek. „Die Polizei hatte damals unser Haus in Batman (kurdisch Êlih, Anm. d. Red.) überfallen. Es waren ungefähr 50 Beamte im Einsatz. Mit eigenen Augen sah ich, dass ein Polizist in Çekdars Zimmer eine schwarze Tüte unter einem Schrank verstaute. Ich intervenierte und fragte nach dem Inhalt der Tüte. Der Polizist sagte mir, es handele sich um Material zum Bau von Bomben. Ich entgegnete, dass ich gesehen hatte, wie er die Tüte dort abstellte, aber es hat weder ihn noch die anderen Polizisten interessiert. Deshalb weigerte ich mich, den Durchsuchungsbericht zu unterzeichnen und reichte am nächsten Tag eine Anzeige gegen den Polizisten bei der Staatsanwaltschaft ein. Ich forderte die Behörden auf, den Inhalt der schwarzen Tüte auf Fingerabdrücke meines Sohnes zu untersuchen. Stattdessen leitete der Staatsanwalt Ermittlungen gegen mich ein, weil ich die Polizei verleumdet hätte.“

‚Çekdar benötigt dringende medizinische Behandlung‘

Im Fall von Çekdar Yürek liegen die Voraussetzungen für eine vorzeitige Haftentlassung vor. Daher hat die zuständige Strafvollstreckungskammer prinzipiell kein Ermessen über die Aussetzungsentscheidung. Sie muss von Amts wegen den noch offenen Strafrest aussetzen. Die negative Sozial-Prognose des Gefängnisdirektors der Haftanstalt von Tekirdağ hat Çekdar Yürek jedoch faktisch einen weiteren Riegel vor dessen Freiheit geschoben. In drei Tagen jährt sich sein Haftantritt zum achten Mal, beklagt sein Vater. Die für den 22. April geplante Haftentlassung hatte sich die Familie bereits seit langem herbeigesehnt, um sofort mit der medizinischen Behandlung zu beginnen, die ihr Sohn dringend benötigt. „Aber sie haben unsere Hoffnung vergiftet. Was ist das bloß für eine Justiz?“ fragt Nihat Yürek.

‚Zustand von Çekdar verschlechtert sich‘

Seinen Sohn zuletzt gesehen hat Yürek bei einem Besuch im Gefängnis am vergangenen Mittwoch. Der Gesundheitszustand von Çekdar habe sich weiter verschlechtert, da ihm eine medizinische Behandlung vorenthalten wird. Dagegen hat der Rechtsbeistand von Nihat Yürek eine Verfassungsklage eingereicht: „Es ist genug. Das Leid, das sie uns zufügen, muss endlich aufhören. Mein Sohn muss sofort freigelassen werden“, fordert er.