Ziynet Yıldırım: „Nennt uns nicht Geschwister!“

Ziynet Yıldırım, Mutter des vom türkischen Militär in Licê extralegal hingerichteten Mehmet Yıldırım, erklärte: „Der Staat soll aufhören, uns seine kurdischen Geschwistern zu nennen. Er massakriert uns und wir sollen Geschwister sein?“

Ziynet Yıldırım

Am 24. Mai umstellte die türkische Armee die Siedlung Nenyas im nordkurdischen Landkreis Licê. Die Soldaten nahmen das Haus von Mehmet Yıldırım, Vater von vier Kindern, unter schweren Beschuss. Sie stürmten das Haus. Anschließend feierten die türkischen Staatsmedien den Erfolg, dass ein „Terrorist neutralisiert“ worden sei. Bei Mehmet Yıldırım handelte es sich um einen Zivilisten, dessen Familie systematisch mit Repressalien bis hin zu extralegalen Hinrichtungen überzogen wurde. So wurde Adnan Yıldırım am 3. Juni 1994 zusammen mit Savaş Buldan und Hacı Karay verschleppt und ermordet. Der 18-jährige Medeni Yıldırım, ein Cousin Mehmet Yıldırıms, wurde am 28. Juni 2013 während einer Protestaktion von türkischen Soldaten getötet.


Vor der Haustür erschossen

Die Mutter und die Schwester von Mehmet Yıldırım berichteten im ANF-Gespräch über die Militäroperation und den Angriff. Seine Schwester Kudret Çelik gab an, dass vor der Operation ein Lastwagen an den Eingang des Dorfes fuhr und Soldaten ausstiegen. Çelik sagte: „Nachdem sie ausgestiegen waren, verteilten sie sich im Dorf. Als wir Fahrzeuge und Lärm hörten, wurde uns klar, dass etwas passierte, aber wir konnten nicht aus dem Haus gehen, um nachzusehen. Es war Abend, es war bereits dunkel. Nach 15 Minuten waren Schüsse zu hören. Das Haus wurde direkt beschossen. Die Kinder waren so verängstigt, dass wir sie im Haus versteckten. Sofi (Mehmet Yıldırım) versuchte zu verstehen, was vor sich ging und auf der Rückseite des Hauses nach draußen zu gelangen, aber bevor er weit kommen konnte, wurde er von Kugeln getroffen. Nachdem Sofi erschossen worden war, umstellten sie das Haus erneut, und obwohl sich Kinder und Frauen im Haus befanden, wurden alle drei Stockwerke beschossen. Das Haus ist mit Einschusslöchern übersät. Zuerst wussten wir nicht, dass Sofi gefallen war, wir dachten, er sei verwundet. Wir versuchten, ihn zu erreichen, um sein Leben zu retten. Aber der Beschuss durch die Soldaten endete nicht, sodass wir nicht herauskommen konnten, um zu sehen, was passiert war.“

Kudret Çelik, Schwester von Mehmet Yıldırım

Wie lange müssen wir diese Tyrannei noch ertragen?“

Kudret Çelik berichtete, dass sie das Haus erst verlassen konnten, nachdem die Schüsse aufgehört hatten: „Wir dachten, dass er irgendwie entkommen war, dass er an einen sicheren Ort gelangt sei. Als wir ihn im Dorf nicht fanden, sagten wir, gut, er ist herausgekommen. Nachts rief mich mein Sohn, der in Amed studiert, an und fragte: ‚Was macht ihr, wie ist eure Lage‘, und wir sagten: ‚So und so, die Soldaten sind im Dorf.‘ Er fragte: ‚Wisst ihr etwas über meinen Onkel?‘ und wir sagten ihm, dass er das Dorf verlassen habe. Er sagte: ‚Mein Onkel ist gefallen.‘ So erfuhren wir davon. Nachdem er erschossen worden war, brachten die Soldaten ihn direkt weg. Wir hatten gehofft, dass er das Dorf verlassen und überlebt hatte, aber es stellte sich heraus, dass sie ihn ermordet und dann sofort seine Leiche weggebracht hatten. Die Soldaten haben das Dorf bis zum Morgen nicht verlassen, wir konnten mit niemandem kommunizieren, wir wussten nicht, was wir tun sollten. Wie lange müssen wir diese Tyrannei noch ertragen? Wir akzeptieren dieses Unrecht nicht. Wir leben schon seit Jahren mit den Massakern dieses Staates. Wie lange wird diese Unterdrückung noch andauern?“

Grabstätte von Mehmet Yıldırım

Schweigt nicht zu dieser Unterdrückung“

Auch Yıldırıms Mutter Ziynet Yıldırım betonte, dass diese Unterdrückung nicht länger verschwiegen werden dürfe, und sagte: „Zwei Stunden nachdem mein Sohn gekommen war, stürmten Soldaten das Dorf. Wir wussten nicht einmal, dass mein Sohn ins Dorf gekommen war, wie konnte der Staat davon erfahren? Mein Herz ist verbrannt, alles, was ich sagen würde, wäre indessen leer. Der Staat sollte uns nicht ‚kurdische Brüder und Schwestern‘ nennen. Wir sind nicht ihre Geschwister. Er tötet uns, schlachtet uns ab, wie sollen wir Geschwister sein? Soll ich um meinen Sohn, soll ich um seine verwaisten Kinder trauern, soll ich um seine Frau trauern, die allein mit ihren kleinen Kindern ist, soll ich trauern, weil man mir das Herz aus dem Leib gerissen hat? In wie viele Stücke hat uns dieser Staat zerfetzt?“