Zehntausende bei „Marsch der Würde” in Qamişlo

Zu zehntausenden sind in Qamişlo Menschen auf die Straße gegangen, um an einem „Marsch der Würde” teilzunehmen. Grund für den größten Massenprotest seit Monaten ist die türkische Invasion in Südkurdistan.

Zu zehntausenden sind an diesem Donnerstag in Qamişlo Menschen auf die Straße gegangen, um an einem „Marsch der Würde” teilzunehmen. Grund für den größten Massenprotest seit Monaten ist die türkische Invasion in Südkurdistan. Der „Marsch der Würde gegen Besatzung und Verrat“ richtete sich gleichermaßen gegen die PDK (Demokratische Partei Kurdistans), die die Regionalregierung Südkurdistans dominiert und tatkräftige Unterstützung bei der seit Ende April andauernden Besatzungsoperation in den Gebieten Avaşîn, Zap und Metîna leistet.

Aufgerufen zu der Demonstration hatten dutzende politische und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Parteien im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyriens, darunter die Liberalen, die Assyrische Einheitspartei, der Frauendachverband Kongreya Star und die Zukunftspartei Syriens. Die Teilnehmenden kamen aus allen Städten in der Cizîrê-Region, vor allem aber aus Dêrik, Rimêlan, Girkê Legê, Çilaxa, Tibespiyê, Hesekê und Qamişlo. Über Stunden wurde der Straßenverkehr vielerorts beeinträchtigt, weil zahlreiche Menschen in langen Konvois anreisten.

„Nieder mit Besatzung und Verrat“

Der Versammlungspunkt der Demonstration lag westlich von Qamişlo, an der Straße Richtung Amûdê. Nach einer Folklore-Darbietung einer örtlichen Tanzgruppe wurde eine Schweigeminute für die Gefallenen der Rojava-Revolution abgehalten, bevor es unter einem bunten Fahnenmeer und kämpferischen Parolen zum 12.-März-Stadion ging. Am lautesten fielen die Losungen „Es lebe der Widerstand der Guerilla“ und „Nieder mit Besatzung und Verrat“.

Bei Zwischenkundgebungen forderten Angehörige von gefallenen Guerillakämpfer:innen in eindringlichen Redebeiträgen die PDK dazu auf, dem türkischen Staat ihre Unterstützung für die Besatzung in Kurdistan zu entziehen. Auch wurde die Barzanî-Partei aufgerufen, in Guerillagebiete verlegte Peschmerga-Einheiten wieder abzuziehen. „Solche Truppenkonzentrationen könnten Auslöser für Konflikte unter Geschwistern sein“, sagte etwa der 60-jährige Sadiq Memdoh. Der Jugendaktivist Şervan Badînî sprach sich für eine „gemeinsame Verteidigungsfront aus Guerilla und Peschmerga für Kurdistan“ aus.

Hesen Koçer von der Selbstverwaltung

Weitere Reden gab es bei der Abschlusskundgebung im Stadion 12. März. Hesen Koçer, stellvertretender Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der Selbstverwaltung, wies auf internationale Dimensionen bei den Angriffen gegen die kurdische Gesellschaft hin. Den „Genozid an den Kurd:innen“ treibe nicht lediglich der türkische Staat voran. Die internationale Staatengemeinschaft sei ebenfalls „ausführender Bestandteil“ dieses Völkermords, äußerte Koçer. „In Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê wird eine Politik aus Kolonialismus und ethnischen Säuberungen betrieben, die demografische Zusammensetzung dieser Regionen zugunsten von antikurdischen Kräften und Islamisten verändert. Solange die internationale Gemeinschaft dieses Treiben aus der Ferne beobachtet, macht sie sich mitschuldig am Genozid.“

Asya Abdullah von Kongreya Star

Asya Abdullah aus der Koordination von Kongreya Star äußerte ebenfalls Kritik an der PDK und bezeichnete deren Unterstützung bei der Invasion als „Förderung des türkischen Expansionismus“. Der türkische Staatspräsident Erdoğan spiele „die einen Kurd:innen gegen die anderen“ aus, um seinen neoosmanischen Großmachtphantasien näher zu kommen. Dass sich die PDK als kurdische Kraft an diesem Vorhaben beteilige, würde auch der PDK über kurz oder lang das Schandmal eines Völkermordverbrechens auf die Stirn brennen. „Unser Volk hat heute seine Haltung demonstriert und gezeigt, an wessen Seite wir uns beim Angriff auf die Guerilla positionieren müssen“, sagte Abdullah und forderte ebenfalls den sofortigen Abzug von PDK-Truppen aus Guerillagebieten. An die kurdischen Bewegungen appellierte die Politikerin, sich unter einem Dach zu vereinen. Die Bedrohungslage in allen Teilen Kurdistans aufgrund des türkischen Expansionismus könne nur gemeinsam mit dem Ziel der nationalen Einheit überwunden werden.