Wenn Diyar seinen Vater sehen will

Der Lokalpolitiker Nevzat Öner (HDP) ist der einzige von knapp fünfzig Angeklagten in einem politischen Prozess in Wan, der noch in Untersuchungshaft ist. Wenn sein Sohn Diyar ihn sehen will, muss er in das Gerichtsgebäude getragen werden.

Nach einem bewaffneten Angriff auf ein Fahrzeug der Stadtverwaltung im Wohnviertel Memedalan in Wan-Qerqelî (tr. Van-Özalp) sind Mitte Mai 48 Personen festgenommen worden, darunter mehrere Stadtratsmitglieder der HDP. Von den vierzig Verhafteten sind 32 Personen bei Gerichtsverhandlungen freigelassen worden. Am Donnerstag fand eine weitere Verhandlung vor der 2. Strafkammer Van statt, bei der das Gericht die Haftbefehle von weiteren sieben Personen aufhob. Damit befindet sich nur noch der Stadtrat Nevzat Öner (HDP) in Untersuchungshaft.

Seine Ehepartnerin Adalet Öner gehört ebenfalls zu den Angeklagten. Sie muss zweimal pro Woche bei der Polizei vorsprechen und kümmert sich gleichzeitig um die gemeinsamen drei Kinder. Eines der Kinder ist der fünfzehnjährige Diyar, der mit starken Beeinträchtigungen auf die Welt gekommen ist und eine behördlich anerkannte Schwerbehinderung von 99 Prozent hat. Damit er seinen Vater wenigstens im Gerichtssaal sehen kann, hat seine Mutter ihn zur letzten Verhandlung mitgebracht. Da der Zugang zum Justizgebäude nicht barrierefrei ist, wurde er im Rollstuhl die Treppen hinaufgetragen. Im Gerichtssaal wollte er die Aufmerksamkeit seines Vaters mit Handbewegungen auf sich lenken und wurde deshalb mehrfach vom Richter verwarnt.

Der Richter sagte: Ich bin doch kein Arzt“

Adalet Öner berichtet von der letzten Gerichtsverhandlung: „Ich habe auf das Drama unserer Familie hingewiesen und den Richtern gesagt, dass sie auch den Zustand von Diyar berücksichtigen sollen, aber der vorsitzende Richter reagierte wütend darauf und sagte, er sei doch kein Arzt.“

Das Ehepaar hat zwei weitere Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, erzählt Adalet Öner: „Der Prozess gegen uns geht weiter. Ich stehe unter Führungsaufsicht und muss zwei Mal die Woche bei der Polizei Unterschriften leisten. Wir sind wegen einer Sache angeklagt, mit der wir nichts zu tun haben. Es ist sehr schlimm für uns. Mein Mann ist in diesem Verfahren der einzige Angeklagte, der noch in Untersuchungshaft ist. Er ist unschuldig und ich hoffe, dass er bei der nächsten Verhandlung frei kommt. Er ist lediglich ein Mensch, der sich politisch engagiert.“