Türkisches Militär verschleiert Verluste um jeden Preis

Die türkische Armee hat die Manipulation der Zahl der eigenen Verluste zur Kunst erhoben. Es werden falsche Todesursachen verbreitet, um Verluste durch die Guerilla und Tote durch grausame Disziplinarstrafen zu verbergen.

Spezialkriegsmethoden

In den vergangenen Tagen kamen wie aus heiterem Himmel Meldungen über tote türkische Soldaten an die Öffentlichkeit. Dabei sterben jeden Tag Soldaten der Besatzungstruppen aufgrund von effektiven Aktionen der Guerilla. Das Verbergen der eigenen Verluste ist für den türkischen Staat zur Spezialkriegsmethode geworden. Aufgrund der hohen Anzahl scheint der türkische Staat jedoch in immer größere Erklärungsnot zu geraten. In den aktuellen Meldungen über Soldaten zeigt sich ein neuer Versuch der Verschleierung. In den letzten Tagen häuften sich Meldungen über Soldaten, die „vom Blitz getroffen“ worden seien, „sich auf dem Weg zu Moschee verirrt“ hätten, „in einen Abgrund gestürzt“ seien und am wichtigsten, „Selbstmord“ begangen hätten. Dabei handelte sich in der Regel um Personen, die im Krieg in Südkurdistan getötet wurden.

Legt man die Bilanzen des Hauptquartiers der HPG (Volksverteidigungskräfte) nebeneinander, so werden die Verluste der türkischen Armee deutlich: Demnach wurden im Jahr 2021 861 Soldaten getötet und 128 verwundet. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 2.942 Soldaten, darunter vier Agenten, 12 Kontras und 26 ranghohe Militärs, getötet und 408 Soldaten verwundet. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 919 Soldaten, zwei Kontras und sieben ranghohe Militärs von der Guerilla getötet und 128 verwundet. Im ersten Quartal 2024 wurden mehr als 100 türkische Soldaten bei revolutionären Operationen und Aktionen der Guerilla getötet. Wie viele davon wurden vom Militär mit ihrer echten Todesursache bekannt gegeben? Die Antwort liegt auf der Hand.

Im letzten Monat wurden Dutzende Todesfälle von Soldaten in den Staatsmedien unter falscher Todesursache bekanntgegeben. Aber wer beschäftigt sich mit den wahren Todesursachen der Soldaten, wer recherchiert dazu? Selbstverständlich niemand, außer den Familien einiger weniger Soldaten. Das Seltsame ist, dass es sich bei den meisten toten Soldaten um Berufssoldaten, also Söldner, handelt. Unter ihnen befinden sich Kommandanten in den Rängen vom Unteroffizier bis zum Major. Die Praxis einen Major, der im Kampf gestorben ist, als einen Herzinfarkttoten zu deklarieren, gibt es wohl nur in der türkischen Armee.

Die Suizidursachen von Soldaten

Kommen wir zu den Selbstmorden. Das Problem der Selbstmorde von Soldaten und die Gründe dafür müssen auf der richtigen Basis untersucht werden. In Kriegszeiten setzen Staaten alle möglichen Gewalt- und Zwangsmittel ein, um ihre Armeen am Funktionieren zu erhalten und Brüche und Uneinigkeit innerhalb des Militärs zu verhindern. Diese Methoden zur Aufrechterhaltung der Disziplin finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Armee statt und werden vom Staat verborgen und geschützt. Die Soldaten, die bei diesen Disziplinierungsmaßnahmen umkommen, werden gegenüber der Gesellschaft geheim gehalten. Wenn es sich um Personen handelt, die keine Familie oder niemanden haben, der sich um sie kümmert, erleichtert dies den Kommandanten die Arbeit, aber die meisten Soldaten haben Familie. Wenn die eigenen Kinder im Militärdienst sterben, sei es auf dem Schlachtfeld oder an der Front, dann fragen die Eltern nach ihnen. Und so sollte es auch sein. Unter der AKP-Regierung hat sich diese Situation jedoch ins Gegenteil verkehrt. Unter dem Deckmantel der Disziplin herrscht eine weit verbreitete Willkürpraxis.

Die Armee wurde in kürzester Zeit auf den verstärkten Einsatz von Berufssoldaten umgestellt. Dieser schnelle Prozess, gepaart mit dem willkürlichen Stil der Vorgesetzten bei der militärischen Ausbildung, brachten schlimmste Praktiken gegenüber den Soldaten mit sich. Denn die Befehlshaber sehen in den Berufssoldaten, die für ihr Handeln Geld bekommen, bezahlte Objekte, mit denen der Staat tun kann, was er möchte. Sie werden als Arbeitskräfte und nicht als, wie immer wieder behauptet wird, ihnen anvertraute Personen betrachtet. Kürzlich sind auch Aussagen einiger entlassener Vertragssoldaten zu diesem Thema bekannt geworden. Als Teil der Ausbildung wurden sie wie Tiere behandelt. Sie mussten hungern, wurden zu extremer Arbeitsleistung gezwungen und wurden von ihren Befehlshabern als Diener benutzt. Wie groß mag wohl der Anteil der Gesellschaft sein, der sich dieser Situation bewusst ist oder sie in Frage stellt? Die Todesfälle von Soldaten, die als Ausbildungsunfälle und Selbstmorde getarnt sind, zeigen, wie sehr das Land und die Armee in der von der AKP geschaffenen Wirklichkeit versinken und wie es immer schwieriger wird, aus diesem Sumpf herauszukommen.

Allein in den letzten drei Jahren gab es Hunderte solcher Todesfälle von Soldaten. Natürlich haben auch die Selbstmorde in der Gesellschaft insgesamt unter dem AKP-Regime erheblich zugenommen. Die jüngsten Statistiken über Selbstmordraten in der Türkei zeigen leider nicht, wie viele der Fälle davon Soldaten oder Strafverfolgungsbeamte waren. Der Grund dafür ist, dass das Erdoğan-Regime diese Tatsachen zu verbergen versucht. In Wirklichkeit handelt es sich auch nicht um Selbstmorde, sondern um verdächtige Todesfälle von Soldaten. Die Gründe für Selbstmorde in der Gesellschaft sind allgemein bekannt. Aber die Gründe für die Selbstmorde der Soldaten unterscheiden sich von denen der Gesellschaft. Im Krieg ist der psychische Verschleiß am größten. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es sinnvoll, die psychischen Auswirkungen aus zwei Hauptperspektiven zu analysieren, nämlich aus der Sicht der Soldaten auf dem Schlachtfeld und aus der Sicht der Soldaten im Hinterland.

Die türkische Armee geht davon aus, dass die angreifende Seite auf dem Schlachtfeld die Initiative hat und versucht, ihre Soldaten in diesem Sinne zu mobilisieren. Das führt dazu, dass die Soldaten in immer neue Angriffe auf die Guerillagebiete getrieben werden. Das Gefühl der Leere, des Schweigens, der Isolation und der Unmöglichkeit, mit anderen in Beziehung zu treten, ist für die meisten Menschen ein unerträglicher emotionaler Zustand. Während die türkische Armee die Guerillagebiete mit ihrer Invasion voneinander zu isolieren versucht, um eine dauerhafte Besatzung zu installieren, tappt sie selbst in diese Falle. Sie wird an vielen Stellen zum Angriffsziel der Guerilla. Damit hat die Fokussierung der Armee auf die Guerilla selbstzerstörerische Konsequenzen. Die Isolation und die traumatischen Situationen, die die Soldaten in diesen Gebieten erleben, reichen natürlich aus, um die breite Palette von Langzeitfolgen darzustellen.

Die virtuellen Medien sind Spiegelbild dieser Realität

Die militärischen Kräfte der türkischen Armee werden über ein großes zerklüftetes Gebiet verteilt. Das führt dazu, dass die auf überlegene Teilnahme konditionierten Soldaten auch psychisch in eine ausweglose Situation geraten. Denn dort, wo sie versuchen, Stellungen zu errichten und sich festzusetzen, befinden sie sich in der permanenten Reichweite der Guerilla und werden laufend getroffen. Das Gefühl der permanenten Todesgefahr und die damit zusammenhängenden psychologischen Folgen für Soldaten sind nicht neu. Aber dieses Ausmaß bricht nicht nur den Kampfeswillen der Soldaten in den Medya-Verteidigungsgebieten, sondern führt auch dazu, dass die Überlebenden dieses Trauma nur schwerlich überwinden können.

Um auf das Thema zurückzukommen: Wenn ein Militärposten gestürmt wird, merken die Soldaten schnell, dass niemand zu Hilfe kommt und selbst wenn, diese Hilfe zu spät sein wird. In diesem Moment kommt es zu ersten Brüchen. Die Disziplin erodiert und die Einheit wird demoralisiert. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Kommandantur die Soldaten wie Tiere behandelt. In einer solchen Situation wird der Soldat entweder durch die Guerilla getötet oder er wird sich selbst umbringen oder von seinen Vorgesetzten ermordet werden, weil er aus Angst vor dem Tod nicht tut, was man ihm sagt. Mit anderen Worten, dieser Soldat wird in jedem Fall sterben. Genau das ist die Situation der türkischen Besatzungsarmee, während sie aktuell versucht, die Medya-Verteidigungsgebiete zu kontrollieren.

Darüber hinaus muss man sich die Situation der Soldaten im Hinterland, in den Kasernen anschauen. Diejenigen, die verwundet von der Front kommen, bringen oft zum Ausdruck, was sie dort erlebt haben, ihre Traumata sind nicht zu verbergen. Noch bevor ein Soldat ins Kampfgebiet aufbricht, wird ihm klar, was dort auf ihn zukommt. Er weiß nun sicher, dass er sich eigentlich nicht von einem Schaf unterscheidet, das man in ein Wolfsgehege treiben will. In diesem Moment beginnt er, Schwierigkeiten bei der Integration in das Kasernenleben zu erleben, und es treten Störungen in seinen Beziehungen und in der Kommunikation auf. Die Kommandanten schrecken keinen Moment davor zurück, zu härtesten Disziplinarmethoden zu greifen, um diese Lage unter Kontrolle zu halten. Das geht von Zwangsarbeit über Sanktionen bis hin zu Exekutionen. Es sind unzählige Zeugenaussagen und Dokumente über ein solches Vorgehen in den letzten Jahren ans Licht gekommen. Während Selbstmorde und „Ausbildungsunfälle“ offiziell die Hauptverluste der türkischen Armee darstellen, übertreffen die Kriegsverluste aber alle anderen. Diese werden kaum gesellschaftlich wahrgenommen oder hinterfragt. Die Verbreitung der virtuellen Medien macht jedoch das Verbergen dieser Verluste auch im Nahen Osten immer schwieriger.

Virtuelle Medien sind die Wege, durch die die Soldaten ihre Familien und Freund:innen kontaktieren und vor der Situation, in der sie sich befinden, fliehen können. Die Nachrichten, die von Soldaten geteilt werden, bilden deutlich die Realität ab. Auf diesen Wegen bringen die Soldaten zum Ausdruck, unter welchen Bedingungen sie leben, insbesondere in den Kampfgebieten, wie sie behandelt werden und wie ihre Befehlshaber mit ihnen umgehen. Selbstverständlich kommt am stärksten zum Ausdruck, wie man sie auf den Schlachtfeldern dem Tod überlässt. Zur Erinnerung: Im Jahr 2020 wurde ein Soldat wegen Befehlsverweigerung angeklagt und vor Gericht gestellt, nur weil er etwas in den virtuellen Medien gepostet hatte. Der Oberste Gerichtshof hob dieses Verfahren auf, und der Soldat wurde nicht bestraft. Es ist jedoch nicht bekannt, was mit diesem Soldaten danach geschah. Denn die Justiz in der Türkei ist nur ein Theater.

Kontrolle über die Kommunikation der Soldaten

Erst kürzlich, im Jahr 2023, erließ der türkische Generalstab eine Direktive, die allen Soldaten, insbesondere an der Front, die Nutzung virtueller Medien mit der Begründung verbot, dass dadurch angeblich Informationen weitergegeben und die Positionen der Soldaten während des Einsatzes verraten würden. Natürlich haben sich die Soldaten nicht daran gehalten. Die Guerilla hat es gar nicht nötig, auf solche Daten zurückzugreifen, denn sie verfügt über die Kapazitäten und die Ausrüstung, um das Gebiet trotz der schwierigen Bedingungen zu kontrollieren. Das sehen wir deutlich an den erfolgreichen Aktionen der letzten Jahre, Monate und Wochen. Es geht in erster Linie darum, dass die verkommene Wirklichkeit dieser Armee ans Licht kommt und der Gesellschaft vor Augen geführt wird.

Ob es sich um sozial ausgerichtete Regime oder um despotische Regime wie das von Erdoğan handelt, Regierungen wollen das Recht auf Information und den Zugang der Gesellschaft zur Wahrheit immer kontrollieren. Die Informationsfreiheit, die eines der grundlegendsten Menschenrechte darstellt, wird vom AKP-Regime auf ein Minimum reduziert. Durch virtuelle Medien wird ernsthaft Einfluss auf die Gesellschaft genommen.

Die Rolle der Medien in Kriegen hat vor allem im 20. Jahrhundert zugenommen, und sie haben das tägliche Leben der Gesellschaft durchdrungen. Erdoğan interveniert in die Armee, ebenso wie in die Gesellschaft als Ganzes. Daher sollte man wissen, dass jeder Tod eines Soldaten, der nicht als im Kampf getötet bekannt gegeben wird, dubios und verdächtig ist.

Exekutionen in der Armee müssen von der Gesellschaft hinterfragt und es muss Rechenschaft verlangt werden. Das Erdoğan-Regime hat die Gesellschaft jedoch mit seinem Faschismus im Griff. Alle, die sich zu diesem Thema äußern, werden als Verleumder der Armee und damit als Verräter deklariert und gesellschaftlich gelyncht. Die herrschenden Medien spielen bei der Umsetzung dieser Politik die größte Rolle. Die Agenda der Gesellschaft wird von Erdoğan bestimmt und ihr durch sein schmutziges Medienkartell aufgezwungen. Solange niemand hinterfragt, warum keine Todesnachrichten in den Villen der Reichen oder Politiker ankommen, wird Erdoğan weiter machen können.

Dinge, die in keinem anderen Land passieren könnten, werden der Gesellschaft in der Türkei weiterhin aufgezwungen, als wären sie Schicksal. Die derzeitige politische Atmosphäre in der Türkei ist so sehr im Rassismus gefangen, dass die gesellschaftliche Meinung mit sehr einfachen Methoden zu manipulieren ist. Gesellschaftliche Diskurse werden nach Belieben geformt.

Die gesamte Gesellschaft ist dazu verurteilt, in Unkenntnis der Besatzungsoperationen und ihrer Folgen zu leben, und erleidet so immer weitere Verluste, Verluste an Menschen, an Freiheit und auch im ökonomischen Sinne. All dies sind die Schäden, die der irreguläre Krieg des Erdoğan-Regimes den Völkern der Türkei zufügt. Erdoğan schreckt nicht davor zurück, eine Hitler-ähnliche Politik zu betreiben, in dem er die Erhabenheit der eigenen Sache behauptet und mit aller Brutalität umsetzt. Obwohl sich diese Politik hauptsächlich gegen das kurdische Volk richtet, wendet er sie auch gegen alle anderen an, die sich seiner Macht nicht unterwerfen oder sich ihr widersetzen. Wenn die Gesellschaft in der Türkei die Wahrheit sehen will, sollte sie sich die Transparenz der kurdischen Freiheitsbewegung anschauen und die Wahrheit sehen. Die kurdische Freiheitsbewegung hat moralische und politische Prinzipien in den Mittelpunkt gestellt und veröffentlicht die Fakten über den Krieg in all ihren Aspekten und dokumentiert diese, damit die Gesellschaft begreift was geschieht. Daran sollte es keinen Zweifel geben.