Türkischer Autokorso endet für 67-jährigen Kurden tödlich

Ein nächtlicher Autokorso anlässlich des 2:1-Sieges der türkischen Nationalmannschaft gegen Tschechien kostete einem 67-jährigen Kurden in Berlin das Leben. Der mutmaßliche Fahrer flüchtete erst, bevor er sich der Polizei stellte.

20 Meter durch die Luft geschleudert

Ein nächtlicher türkischer Autokorso anlässlich des Sieges der türkischen Fußballnationalmannschaft am Mittwoch gegen Tschechien endete für einen 67-jährigen Kurden aus Berlin tödlich. Sait T. wurde als Fußgänger von einem am Autokorso beteiligten Fahrzeug erfasst und erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad e.V. zeigte sich entsetzt.

Der Vorfall ereignete sich laut Polizei um 23.10 Uhr Uhr, als der gemietete Mercedes AMG SL63 mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Karl-Marx-Straße fuhr. Sait T. wollte zu dem Zeitpunkt die Hermannstraße auf Höhe der Karlsgartenstraße zur Biebricher Straße überqueren. Mehr als 20 Meter sei er durch den Aufprall durch die Luft geschleudert worden. Das Fahrzeug soll dabei unter ihm hindurchgerast sein. Aufgeschlagen ist T. am Straßenrand, zwischen geparkten Autos. Die Dashcam eines Zeugen zeichnete den Moment offenbar auf.

Während der mutmaßliche Unfallverursacher (26) sein Fahrzeug zunächst zurückließ und mit einem anderen Wagen flüchtete, leisteten Zeug:innen Erste Hilfe und alarmierten sofort Polizei und Feuerwehr. Erst eine Stunde später stellte sich der mutmaßliche Täter laut Civaka Azad der Polizei. Er wurde nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung und Vernehmung durch die Polizei wieder entlassen. Wie mehrere deutsche Zeitungen berichteten, sollen vor dem Zusammenstoß Türkei-Fahnen aus seinem Auto geschwenkt worden sein.

Zahlreiche kurdische Politiker:innen, Vereine sowie Organisationen hatten bereits zu Beginn der diesjährigen Europameisterschaft vor dem gefährlichen und bedrohlichen Verhalten der türkischen Fanszene gewarnt. „Das Zelebrieren türkischer Angriffskriege gegen Kurdinnen und Kurden durch Anhänger türkischer Fußballklubs oder der Nationalmannschaft darf hierzulande nicht länger ignoriert werden. Ob beim Autokorso in Dortmund oder auf der Fanmeile in Hamburg: An vielen Orten Deutschlands wurden rassistische Parolen skandiert, der ,Graue Wölfe'-Gruß gezeigt“, erklärte Ruken Akça, Ko-Vorsitzende des größten kurdischen Dachverbands in Deutschland KON-MED, kürzlich der Zeitung „Junge Welt“.

Auch Civaka Azad stellte fest: Seit Beginn der Europameisterschaft lässt sich eine Intensivierung der öffentlichen Präsenz türkischer Fußballfans und Rechtsextremisten beobachten, die ihre menschenverachtende Ideologie ungehemmt auf die Straße tragen. „Dies stellt besonders für Menschen, die zum Feindbild der türkischen Rechten gehören, eine schwere Bedrohung dar. Diese bedrohliche Entwicklung wurde von den Sicherheitsbehörden weitgehend ignoriert: vermeintliche Fußballfeierlichkeiten, die zu rechten Machtdemonstrationen mutieren, unzählige Fälle des Zeigens des sogenannten Wolfsgrußes, rassistische Parolen und Drohungen gegen Kurd:innen, Kriegsverherrlichung, tätliche Angriffe auf gegnerische Fans und Sicherheitskräfte, Sachbeschädigung sowie gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr durch unkontrollierte und stundenlange Autokorsos, die nun dem 67-jährigen Kurden Sait T. das Leben gekostet haben.“

Das Informationszentrum kritisierte auch die UEFA, die einerseits Engagement gegen Rassismus und Nationalismus im Sport bekräftige, sich aber andererseits während des gesamten Zeitraums passiv gegenüber der Bedrohung und der menschenverachtenden Hetze, die von der türkischen Fanszene ausging, verhalten habe. Verständnislosigkeit äußerte Civaka Azad auch gegenüber der türkischen Fanszene: „Trotz des tragischen Todes von Sait T. setzten die türkischen Fans ihre Feierlichkeiten bis spät in die Nacht in ganz Deutschland fort.“ Civaka Azad spricht den Angehörigen des Getöteten ihr aufrichtiges Beileid aus.