Positive Bilanz nach Protesten gegen AfD-Parteitag in Essen

„Gemeinsam laut“ und „Widersetzen“ haben eine positive Bilanz der Proteste gegen den AfD-Parteitag in Essen gezogen. Kritisiert wurde, dass die Polizei legitime Proteste niedergeschlagen und kriminalisiert habe. Das sei ein „Skandal“.

Kritik an Polizei

Die Bündnisse „Gemeinsam laut“ und „Widersetzen“ haben eine positive Bilanz der Proteste gegen den AfD-Parteitag in Essen gezogen. Man habe die „größten Proteste organisiert, die Essen je gesehen hat“, teilten die Organisationen am Sonntag in Essen mit. Alleine an einer Demonstration vom Hauptbahnhof zur Grugahalle am Samstagvormittag beteiligten sich laut den Veranstaltenden mehr als 50.000 Personen. Zu einer Kundgebung am Nachmittag kamen nach Angaben der Stadt Essen rund 25.000 Menschen. Bereits am Freitagabend hatte es einen Rave mit 5.000 Teilnehmenden gegeben.

Kriminalisierung demokratischer Proteste

Kritisch äußerten sich die Bündnisse, die sich mit Aktionen des zivilen Ungehorsams in demokratische Bewegungen wie der Bürgerrechtsbewegung der USA oder dem Kampf gegen Apartheid in Südafrika einreihen wollen, zum Umgang der Polizei und des Innenministers von NRW mit den friedlichen Demonstrierenden. Diese gaben an, dass größere Gruppen von zum Teil mehreren hundert Personen immer wieder versucht hätten, „durch gewaltsame Störaktionen“ die AfD-Delegierten an der Teilnahme des Bundesparteitags zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen. Um das zu unterbinden, habe man Schlagstock und Reizgas einsetzen müssen. Auch habe es Zusammenstößen zwischen Polizei und Protestierenden gegeben, bei denen 28 Einsatzkräfte teils schwer verletzt worden seien. Beamte der Bereitschaftspolizei etwa seien dabei attackiert worden, als sie einen AfD-Delegierten zur Grugahalle geleiteten. Das sei eine „Kriminalisierung demokratischer Proteste“, betonten die Bündnisse.

AfD-Politiker beißt Demonstrant in die Wade

„Es macht uns einfach nur sprachlos, dass ein AfD-Politiker in eine friedliche Demonstration geht und Demonstrant:innen anspuckt und Menschen in die Wade beißt. Wir kennen ein solches Verhalten nur aus dem Kindergarten. Es ist schockierend, dass die Polizei versagt hat, unseren friedlichen Protest zu schützen, während sie gewaltvoll den AfD-Parteitag für offene Faschisten ermöglicht hat, Falschmeldungen über Schwerverletzte verbreitet und immer noch Menschen in Gewahrsam den Zugang zu einem Anwalt erschwert. Das ist ein Skandal!”, sagt Katharina Schwabedissen, ver.di-Gewerkschaftssekretärin und Sprecherin von „Widersetzen“. Derzeit befinden nach ihren Angaben noch zehn Protestierende in Polizeigewahrsam. Ihnen werde das Recht auf anwaltlichen Beistand erschwert und sie seien in sogenannte Präventivhaft genommen worden, die noch bis heute Abend 20 Uhr dauern soll.

Bei dem Wadenbeißer handelt es sich um Stefan Hrdy. Der Pensionär, der in seinem Berufsleben bei der Bundespolizeieinheit GSG 9 war, behauptete, aus „Notwehr“ gehandelt zu haben. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er, er sei auf dem Weg zur Grugahalle auf eine Blockade von AfD-Gegner:innen gestoßen. Als er aus seinem Auto ausgestiegen sei, um einen Polizisten zu bitten, den Weg für ihn freizumachen, sei er plötzlich attackiert worden. „Dann bekam ich einen Tritt in die rechte Wade, fiel hin und zwei oder drei sind auf mich drauf gefallen, ich sage mal gefallen, und dann kam ein Tritt von rechts, ich konnte ein bisschen ausweichen, habe mich dann in das Bein verklammert und zugebissen, damit ich nicht noch einen Tritt abbekomme.“ In diesem Moment hätten Polizeibeamte eingegriffen. Er habe aufstehen und weiterfahren können.

Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte ein Video des Vorfalls. Darin ist zu sehen, wie Hrdy auf eine Polizeiabsperrung zugeht. Mehrere Demonstrierende stellen sich ihm in den Weg, es kommt zu einem Tumult und Hrdy geht zu Boden. Mit seiner Darstellung deckt sich das Video so gut wie nicht. Es ist dort lediglich zu sehen, dass ein Demonstrant mit dem Bein auf ihm liegt, dem Hrdy in die Wade beißt. Der geschilderte Tritt in die Wade ist nicht zu erkennen.

Aufschrei gegen Faschismus hat neues Gesicht

Alassa Mfouapon, Sprecher von „Widersetzen“ und dem Freundeskreis Flüchtlingssolidarität gab einen Ausblick in die Zukunft des Bündnisses: „Dieses Wochenende haben viele Beschäftigte, Migrant:innen, Jung und Alt zum ersten Mal gegen die AfD demonstriert und den größten Protest gebildet, der jemals in Essen stattgefunden hat. Darüber hinaus wurde der AfD ihr Parteitag zur Verbreitung ihrer antidemokratischen Inhalte erfolgreich so schwer wie möglich gemacht. Damit zeigt sich der Aufschrei gegen den wachsenden Faschismus nach der Demonstrationswelle Anfang des Jahres in Deutschland mit einem neuen Gesicht: Wir gemeinsam als Arbeiter:innen, Migrant:innen, Queere und Menschen mit Behinderung haben geeinter denn je hier in Essen die Bewegung aufgebaut, die 1932 gefehlt hat. Wir werden uns weiter gegen diese Partei von Kriegstreibern, Massendeportation und Gewerkschaftsfeinden widersetzen!”

Titelfoto: Widersetzen | Humanimal