Semsûr: „Terror“-Verhaftungen nach Festnahmen durch Gendarmerie

In Semsûr wurden drei Personen wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft verhaftet, darunter ein DBP-Politiker und ein NGO-Vertreter. Während ihres dreitägigen Gewahrsams bei der Gendarmerie wurde ihnen das Recht auf Zugang zu einem Anwalt willkürlich entzogen

In der nordkurdischen Provinz Semsûr (tr. Adıyaman) sind drei Personen wegen des angeblichen Verdachts der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ verhaftet worden. Unter ihnen sind auch der Lokalpolitiker Aziz Akdağ, der Ko-Vorsitzender des Provinzverbands der Partei DBP ist, und Mahmut Elçi, Vertreter des Vereins MEBYA-DER, der sich für Menschen einsetzt, die Angehörige im kurdischen Befreiungskampf verloren haben. Beide Männer sowie die Aktivistin Bedriye Polattaş waren am Montag von der türkischen Militärpolizei (Gendarmerie) festgenommen worden. Mittlerweile befinden sie sich in einem Hochsicherheitsgefängnis.

Hintergrund der Verhaftungen in Semsûr sind Ermittlungen der Gendarmerie Adıyaman gegen vermeintliche „helfende Hände” der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Zunächst war nicht klar, welche konkreten Vorwürfe gegen Akdağ und Co. erhoben werden, da ihnen in Gewahrsam das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand willkürlich entzogen wurde. Wie ihr Verteidiger Yusuf Özperçin angab, machten sie daher zunächst von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Bei dem staatsanwaltlichen Verhör am Donnerstag an einer Strafabteilung des Amtsgerichts Adıyaman hieß es schließlich zu den Anschuldigungen, Akdağ, Elçi und Polattaş hätten bei einer Versammlung Parolen wie „Şehîd namirin“ (Die Gefallenen sind unsterblich) und „Bijî Serok Apo“ (Es lebe der Vorsitzende Apo; gemeint ist Abdullah Öcalan) gerufen. Zudem sollen sie bei einer Kundgebung vor einem Transparent mit dem Konterfei Öcalans gesehen worden sein.

Dem DBP-Politiker Akdağ wird laut Rechtsanwalt Özperçin darüber hinaus zur Last gelegt, sich telefonisch an einer Sendung des kurdischen Senders Ronahî TV beteiligt zu haben. Thema sei die Totalisolation von Abdullah Öcalan gewesen, der seit seiner Verschleppung 1999 in die Türkei auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten wird. Wieso er dem Namen des kurdischen Vordenkers die übliche Bezeichnung „sayın” (verehrter, entsprechend dem deutschen „Herr“) vorangestellt habe, wollte der Staatsanwalt wissen. Außerdem wurde Akdağ die typische Frage gestellt: „Ist die PKK Ihrer Meinung nach eine Terrororganisation?“

Akdağ und die beiden anderen Festgenommenen wiesen den Vorwurf zurück, Mitglieder der PKK zu sein. Vor Gericht gaben sie an, auf der Wache der Gendarmerie einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt worden zu sein. Man habe sie unter Druck gesetzt, einer Befragung ohne Anwesenheit einer Rechtsvertretung zuzustimmen. Zudem seien sie immer wieder als „Idioten” beschimpft worden. Den Juristen Yusuf Özperçin soll die Militärpolizei als „Terrorist“ bezeichnet haben. Ob und wann Anklage in dem Fall erhoben wird, ist derzeit noch unklar.