Seit 500 Tagen keine Spur von Hurmüz Diril

Auch 500 Tage nach dem Verschwinden des chaldäische Ehepaares Diril in der nordkurdischen Provinz Şirnex gibt es von Hurmüz Diril keine Spur. Die Leiche von Şimoni Diril war nach 69 Tagen gefunden worden.

Im Landkreis Elkê (tr. Beytüşşebap) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) liegt das traditionell von assyrischen und chaldäischen Christen bewohnte Dorf Mehrê (Kovankaya). Aus diesem Dorf stammen Hurmüz und Şimoni Diril. Das Paar verschwand am 11. Januar 2020. Die Leiche von Şimoni Diril wurde nach 69 Tagen am Ufer des Hezil entdeckt, von Hurmüz Diril fehlt auch 500 Tage nach seinem Verschwinden jede Spur. In der von den Verbrechen türkischer Todesschwadronen gezeichneten Region deutet vieles auf einen staatlich verübten Mord hin. In dem Ermittlungsverfahren wurde eine Geheimhaltungsverfügung verhängt, Şimoni Dirils Autopsiebericht wurde nicht veröffentlicht.

Die Anwaltskammer Şirnex hat den Fall erneut aufgegriffen und mit dem Sohn von Şimoni und Hurmüz Diril gesprochen, dem chaldäischen Priester Remzi Diril, der gemeinhin Pater Adday genannt wird und von Istanbul aus für die Seelsorge an Tausenden von chaldäischen Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Irak und aus Syrien verantwortlich ist. In einer schriftlichen Stellungnahme der Anwaltskammer heißt es:

„Şimoni und Hurmüz Diril sind 2014 in ihr Dorf zurückgekehrt, haben mit eigenen Mitteln ein Haus gebaut und wieder dort gelebt. Trotz massivem Druck haben sie darauf bestanden, ihr Leben in ihrem Dorf fortzuführen. Am 11. Januar 2020 hat das Paar das Haus verlassen und war seitdem verschwunden. Ihr Sohn Remzi Diril, der gleichzeitig der Priester der 1500 Jahre alten Kirche in Mehrê (Kovankaya) ist, hat sich an die Behörden gewandt. Daraufhin sind Ermittlungen eingeleitet worden, die zu keinen konkreten Hinweisen geführt haben.

Von Hurmüz Diril gibt es seit nunmehr 500 Tagen keine Spur. Am 9. Mai 2021 ist die Kirche in Mehrê zerstört worden, obwohl der Zutritt zum Dorf nur mit einer Genehmigung der Jandarma-Kommandantur Boğazören erlaubt ist. Das nächste Dorf liegt 25 Kilometer entfernt.

Wie Remzi Diril uns mitgeteilt hat, hat keine der gestellten Anfragen zu Ergebnissen geführt. Es wird weiter auf den Verlauf der Ermittlungen gewartet. Er hält es für möglich, dass weitere Menschen aufgrund von Sicherheitsbedenken ihre Heimat verlassen müssen.“

HPG-Recherchen verweisen auf Konter-Kräfte

Nach dem Verschwinden des Ehepaars hatten regierungsnahe Medien schnell behauptet, dass PKK-Kämpfer das Ehepaar verschleppt hätten. Das hatten die Volksverteidigungskräfte (HPG) im Mai vergangenen Jahres dementiert: „Unsere Recherchen zu dem Vorfall haben mittlerweile ergeben, dass beide Zivilpersonen am besagten Tag von drei Konter-Kräften entführt und getötet wurden. Ihre Leichen wurden aller Wahrscheinlichkeit nach in den Hezil-Fluss geworfen. Der türkische Besatzerstaat schrieb das von Kontras verübte Massaker unseren Kräften zu, und versuchte damit, dieses unmenschliche Verbrechen an der angestammten Bevölkerung von Mehrê unter den Teppich zu kehren. Die unschuldige Zivilbevölkerung wurde zu keinem Moment im Krieg in Kurdistan das Angriffsziel unserer Bewegung. Wir haben stets feindliche Kräfte und solche, die unsere gesellschaftlichen Werte angreifen, zum Ziel genommen. Das uralte chaldäische Volk anzugreifen, zeugt von der faschistischen Mentalität des türkischen Besatzerstaates. Sie unterscheidet sich nicht in geringster Weise von der Mentalität des sogenannten IS und wird durch niederträchtige Angriffe auf die alten Völker der Region mit großer Deutlichkeit aufgezeigt. Über seine Spezialkriegsmedien ließ der türkische Staat ebenfalls lancieren, das Massaker an Şimoni und Hurmüz Diril sei von der PKK verübt worden. Die Söldner des genozidalen Besatzerstaates gehen gut organisiert und in voller Absicht gegen die Bevölkerung Kurdistans vor. Wir teilen an dieser Stelle mit, das von Konter-Kräften der faschistischen Türkei verübte Massaker in Mehrê zu rächen. Den Angehörigen von Şimoni und Hurmüz Diril sowie dem chaldäischen Volk sprechen wir unser aufrichtiges Beileid aus.”

Das Dorf Mehrê ist im Zuge der blutigen Vertreibungspolitik der neunziger Jahre 1994 zunächst entvölkert und anschließend vom türkischen Militär niedergebrannt worden. Erst 2010 hob der Staat das Verbot, Mehrê zu betreten, wieder auf. Daraufhin war das Ehepaar Diril von Istanbul aus 2014 wieder nach Elkê gezogen.