Suryoye fordern Aufklärung von Entführungsfall

Suryoye in Europa fordern Aufklärung über das Schicksal von Hurmüz und Şimoni Diril. Das chaldäische Ehepaar ist in Şirnex verschleppt worden, der türkische Staat will das Verbrechen der PKK anhängen.

Im Landkreis Elkê (Beytüşşebap) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) liegt das traditionell von assyrischen und chaldäischen Christen bewohnte Dorf Mehrê (türk. Kovankaya). Aus diesem Dorf stammen Hurmüz (71) und Şimoni (65) Diril. Das Paar verschwand am 11. Januar 2020. Die Leiche von Şimoni Diril wurde nach 69 Tagen am Ufer eines Bachbettes entdeckt. Verbrechen wie diese tragen in der von der Aktivität türkischer Todesschwadronen gezeichneten Region eine deutliche Handschrift. Yaşar Küçükaslan, der Europavertreter der Freiheitspartei Mesopotamiens, sieht im Schicksal der Familie Diril die Fortsetzung des 1915 begonnenen Genozids an den Suryoye.

Küçükaslan berichtet im Gespräch mit ANF, dass es sich dabei nicht um die erste extralegale Hinrichtung an Mitgliedern der christlichen Bevölkerungsgruppen in der Region handele. In den neunziger Jahren, als die Freiheitsbewegung in Nordkurdistan stark wurde, waren nicht nur Kurdinnen und Kurden, sondern auch Suryoye von den Morden durch staatliche Todesschwadronen betroffen. In Şirnex ließen JITEM und sogenannte Dolch-Teams tausende Menschen verschwinden. Ihre Leichen tauchten, wenn überhaupt, mit Folterspuren in Höhlen und sogenannten Todesbrunnen wieder auf.

Weil sie ihr Land nicht verlassen haben

Die Suryoye leben in der Region seit 7.000 oder 8.000 Jahren, sagt Küçükaslan. Er beschreibt die Familie Diril als eine patriotische Familie, die bereits in den neunziger Jahren zwei Kinder durch die staatliche Praxis des „Verschwindenlassen“ verloren habe: „Es ist immer noch nicht bekannt, was mit den Kindern geschehen ist.“ Im Zuge der blutigen Vertreibungspolitik in Nordkurdistan wurde Mehrê 1994 zunächst entvölkert und anschließend vom türkischen Militär niedergebrannt. Erst 2010 hob der Staat das Verbot, das Dorf zu betreten, wieder auf. Ab 2011 verbrachte das damals noch in Istanbul lebende Ehepaar Diril die Sommer über in ihrem Heimatdorf, im Jahr 2015 zogen sie wieder nach Elkê zurück. In der letzten Zeit sollen sie jedoch wieder verstärkt ins Visier des Staates geraten sein. „Aber sie weigerten sich wegzugehen“, erklärt Küçükaslan.

Kurdische Befreiungsbewegung beschuldigt

„Als das Ehepaar Diril verschwand, versuchten Kollaborateure in der Region, die kurdische Freiheitsbewegung dafür verantwortlich zu machen. Sie wollten Zwist zwischen den Geschwistervölkern sähen. Aber die Bevölkerung ging auf diese Provokation nicht ein. Sie weiß, wer hinter dieser Tat steht.“

Suryoye in Botan sollen vollständig vernichtet werden

Yaşar Küçükaslan ist davon überzeugt, dass der Staat das Ehepaar ermordet hat: „Die Dorfschützer und Hizbulkontras [Bezeichnung für die paramilitärische türkische Hisbollah, die insbesondere in den neunziger Jahren unzählige Morde an Oppositionellen beging] stecken dahinter. Die Täter stehen in Verbindung mit dem Staat. Der Staat benutzt diese Kreise sowohl gegen das kurdische Volk und die HDP wie auch gegen die Suryoye. Es ist klar, warum er in Botan angreift. Botan ist das Land unseres Volkes. Dort gibt es ein weltberühmtes Patriarchat. Der Staat akzeptiert diese Zivilisation und Kultur nicht. Er will sie vollständig vernichten. Für die Familie Diril einzutreten, bedeutet für die Identität der Suryoye und ihre Kultur einzutreten.“

Hurmuz Diril weiterhin verschwunden

Küçükaslan fährt fort: „Nach 69 Tagen wurde die Leiche von Şimoni gefunden. Aber von Hurmüz gibt es keine Spur. Wir verfolgen das genau. Das kurdische Volk und die demokratische Öffentlichkeit sollten dem ebenfalls nachgehen und das Thema auf ihre Tagesordnung setzen.“

„Der Genozid dauert an“

„Der türkische Staat war niemals ein Freund unseres Volkes. Dieser Staat hat einen Genozid an uns verübt und setzt diese Praxis auf verschiedene Weise fort. Wir sehen auch die Angriffe auf die HDP in diesem Kontext. Aus diesem Grund sollte unser Volk überall gegen den Staat protestieren.“

„Unser Volk sollte aktiv Position beziehen“

Zu den Angriffen den Luftangriffen am 15. Juni auf das Flüchtlingslager Mexmûr, die Region Şengal und die Medya-Verteidigungsgebiete in Südkurdistan sagt der Politiker: „Wir betrachten diesen Angriff auf die kurdische Freiheitsbewegung als einen Angriff auf uns selbst. Wir rufen alle Suryoye auf, aktiv Position zu beziehen.“

„Behörden haben nur sehr zögerlich ermittelt“

Metin Rhawi von der Union der Suryoye in Europa erklärt zu dem „Verschwinden“ des Ehepaars Diril, dass die Suche der Behörden nach den Vermissten auffallend zögerlich aufgenommen wurde: „All das zeigt, was für einen Status wir in der Türkei haben. Remzi Diril, ein Sohn aus dieser Familie, ist der Priester der chaldäisch-katholischen Kirche in Istanbul. Wenn es sich nicht um die Familie eines Priesters, sondern eines Imams handeln würde, wäre die Haltung des türkisches Staat wohl eine andere.“

Zu dem Versuch, das Verbrechen der PKK anzuhängen, sagt Rhawi: „Der türkische Staat versucht die Schuld jemand anderem zu geben, um selbst gut dazustehen. Das ist äußerst besorgniserregend.“ Rhawi betont, er habe Verbindung zu schwedischen Abgeordneten aufgenommen, die das Thema auf die parlamentarische Tagesordnung bringen wollen.