Schwere Folter an 63-Jähriger
Nach der Haftentlassung der 63-jährigen Adle Samur kommt ein dramatischer Folterfall ans Licht. Die Mutter zweier Gefallener wurde mit Eisenstangen verprügelt und der berüchtigten Foltermethode der Falaka unterzogen.
Nach der Haftentlassung der 63-jährigen Adle Samur kommt ein dramatischer Folterfall ans Licht. Die Mutter zweier Gefallener wurde mit Eisenstangen verprügelt und der berüchtigten Foltermethode der Falaka unterzogen.
Nach einem Gefecht zwischen der Guerilla und türkischen Soldaten am 24. Februar 2023 stürmte das Militär den Weiler Karacurun bei Pirsûs (tr. Suruç) und nahm sieben Personen fest. Am 2. März folgte ein weiterer Repressionsschlag, bei dem das Ehepaar Mehmet und Adle Samur festgenommen wurde. Nun wurde bekannt, dass Adle Samur schwer gefoltert worden ist. Die 63-Jährige wurde an ihrem ersten Verhandlungstag am 23. September nach sieben Monaten aus der Haft entlassen. Ihr Mann ist weiter inhaftiert. Adle Samur berichtete gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya über die Folterungen und Schikanen, die sie in dieser Zeit erlebt hat.
Schwere Folter durch Spezialeinheiten
Demnach wurde ihr Haus von Hunderten mit Langwaffen ausgerüsteten und vermummten Soldaten umstellt und gestürmt. Bereits in ihrer Wohnung begannen die Misshandlungen. Sie wurde in ein Zimmer gebracht und gezwungen, sich auf dem Bauch auf den Boden zu legen. „Sie fingen an, mich am ganzen Körper mit Eisenspießen zu schlagen. Ich habe eine Platte in meinem Fuß. Sie haben auch diesen Fuß gezielt geschlagen. Sie drohten: ‚Wir werden dich töten.‘ Sie zwangen mich, mich auf das Bett zu legen, und schlugen mich, bis die Unterseite meines Fußes anschwoll. Sie verbanden meine Augen und meinen Mund und fingen an, mit ihren Stiefeln auf mich einzutreten“, berichtete Adle Samur. Beim Schlagen auf die Fußsohlen handelt es sich um die berüchtigte Foltermethode der Falaka. Dabei werden die Fußsohlen so lange mit Schlägen malträtiert, bis diese aufplatzen.
Nachdem sie gefoltert worden war, wurde Samur in die Winterkälte nach draußen geschleift. Obwohl der Dorfvorsteher und einige wenige andere auch die Folter sahen, wagten sie nicht einzuschreiten. Das Militär setzte die Folterungen in aller Öffentlichkeit vor dem Haus fort.
Tochter und Ehemann ebenfalls gefoltert
Adle Samur berichtete weiter: „Auch mein Mann wurde gefoltert. Er hatte eine Wunde auf seiner Stirn. Seine Augen waren schwarz und blau. Ich habe versucht zu sprechen, aber sie haben mich nicht gelassen. Sie nahmen meinen Mann und setzten ihn in ein Fahrzeug. Dann hielten sie meiner Tochter eine Pistole an den Kopf und sagten: ‚Wenn du uns nichts sagst, werden wir dich töten.‘ Meine Tochter wusste nichts von dem, was sie wollten.“
Bestechungsversuche und Folter
Anschließend wurde Adle Samur mit einem Panzerfahrzeug zur Terrorabteilung der Polizei von Urfa (ku. Riha) gebracht. Man versuchte sie zu zwingen, Aufnahmen von Personen, die sie nicht kannte, zu identifizieren, und sie wurde von der Polizei bedroht. Samur erzählte: „Als ich ihnen sagte, dass ich diese Personen nicht erkenne, sagten sie mir: ‚Du lügst.‘ Sie drohten mir, mich an einen Ort zu bringen, den sie ‚unten‘ nannten, um mich dort zu foltern. Eine meiner Töchter hatte sich der PKK angeschlossen, und sie sagten: ‚Wir werden dir Geld geben, dann geh und bring deine Tochter her.‘ Sie brachten mich nach oben, weil unsere Anwälte eingetroffen waren. So endete die Folter. Eine Woche lang hatte ich jedes Mal Schmerzen, wenn ich auftrat.“
„Ich bin eine Terroristin, bringt mich zu den Terroristen“
Als sie in den Gewahrsam gebracht wurde, wurde sie einer Nacktdurchsuchung unterzogen. Samur erzählte: „Nachdem sie mir die Kleidung ausgezogen hatten, forderten sie mich auf, aufzustehen und mich wieder zu setzen. Nachdem ich das ein paar Mal gemacht hatte, gaben sie mir meine Kleidung zurück. Nach vier Tagen Gewahrsam wurden wir inhaftiert. Am Eingang des Gefängnisses zogen sie mir noch einmal alle Kleider aus. Sie brachten mich in einen Raum, wo ich eine Stunde lang nackt ausharren musste. Dann gaben sie mir meine Kleidung, und ich zog sie an. Sie versuchten, mich in eine Abteilung für ‚unparteiische‘ Gefangene zu bringen, aber ich weigerte mich. Ich war sehr wütend über das, was man mir ohne Grund angetan hatte, und sagte in meinem Zorn: ‚Ich bin eine Terroristin, bringt mich zu den anderen Terroristinnen.‘ Nachdem ich darauf bestanden hatte, brachten sie mich in die Abteilung mit den politischen Gefangenen. Sie führten mich auf die Krankenstation, wo man mir nur Schmerzmittel gab. Dann brachten sie mich ins Krankenhaus und ich erzählte, was ich durchgemacht hatte, aber der Arzt gab mir kein Attest. Es gab immer wieder Versuche des Wachpersonals, mich im Gefängnis zu provozieren. Sie wollten uns immer provozieren.“
Sieben Monate ohne jeglichen Beweis in Haft
Adle Samur berichtete, dass sie ins Visier geraten sei, weil eine ihrer Töchter und zwei ihrer Söhne zu verschiedenen Zeitpunkten der PKK beigetreten seien. Sie hat bereits Erfahrungen mit Repression gemacht. Als ihr Sohn Baran gefallen ist, wurden die Trauernden von der Polizei angegriffen: „Im Jahr 2018 wurde unser Haus während der Beileidsbekundung für meinen Sohn Baran gestürmt und durchsucht, und mein Ehemann sowie viele weitere Personen wurden festgenommen. Wir hatten eine Beileidsbekundung vor unserem Haus organisiert, was man uns nicht erlaubte. Sie schossen mit Gewehren auf unser Haus und sammelten dann die Patronenhülsen ein. Mein Haus wurde innerhalb eines Jahres dreimal durchsucht, und alles wurde durchwühlt. Ich erhebe Anklage gegen diejenigen, die uns das angetan haben, und gegen diejenigen, die mich sieben Monate lang ohne Beweise oder Ermittlungen im Gefängnis festgehalten haben. Sie sollten uns jetzt endlich in Frieden lassen.“
Systematische Repression gegen die Familie
Fadıl Samur, der Sohn des Ehepaars, berichtete ebenfalls von Repression. Zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung gegen seine Eltern stürmte das Militär um zwei Uhr nachts die Wohnung des 48-Jährigen. Er beschrieb die Geschehnisse: „Sie stürmten unser Haus und sagten: ‚Es liegt eine Anzeige gegen Sie vor.‘ Ich weiß jedoch, dass sie das Haus durchsucht haben, um Beweise zu sammeln, weil die Verhandlung kurz bevorstand. Sie teilten uns mit, dass Leute in der Nachbarschaft sich wegen Lärm über uns beschwert hätten. Unser Haus liegt jedoch ziemlich weit vom Dorf entfernt, und wir haben keine unmittelbaren Nachbarn. Selbst wenn wir schreien, kann uns niemand hören. Außerdem schliefen an diesem Tag meine Kinder bereits, und meine Frau und ich waren kurz davor, einzuschlafen. Sie sagten mir: ‚Wir haben deine Mutter und deinen Vater mitgenommen, bleib ruhig, sonst nehmen wir dich auch mit.‘ Ich sagte ihnen, sie sollten mich mitnehmen, wenn ich ein Verbrechen begangen hätte. Ich fragte sie, was ich getan hätte, aber sie antworteten nicht. Sie versuchen, uns Angst einzujagen und uns psychisch zu zermürben, indem sie uns unter Druck setzen. Sie versuchen, uns dazu zu bringen, hier wegzugehen. Aber das werden wir nicht tun. Meine Mutter wurde sieben Monate lang ohne Beweise im Gefängnis festgehalten, und mein Vater ist immer noch inhaftiert. Ich möchte, dass mein Vater sofort freigelassen wird.“