Offener Brief: Nein zu kurdischem „Bruderkrieg“

In einem Brief an die südkurdische Regionalregierung fordern mehr als 600 Intellektuelle konkrete Maßnahmen, um die durch die Stationierung von Peschmerga-Einheiten der PDK in Zînê Wertê entstandene innerkurdische Krise abzuwenden.

670 Intellektuelle, Kunstschaffende, Journalisten, Peschmerga-Veteranen und Politiker fordern in einem offenen Brief an die südkurdische Politik und ihre Repräsentanten konkrete Maßnahmen, um die durch die Stationierung von Peschmerga-Einheiten der PDK in Zînê Wertê entstandene innerkurdische Krise abzuwenden. Der Appell richtet sich an das Peschmerga-Ministerium, den Präsidenten des Regionalparlaments, den Präsidenten der Autonomieregion, Nêçîrvan Barzanî, seinen Stellvertreter Qubad Talabani, den Ministerpräsidenten Mesrûr Barzanî, den irakischen Präsidenten Barham Salih sowie an alle Parteien, die im südkurdischen Parlament vertreten sind. Das Schreiben wurde auch an die deutsche Botschaft in Hewlêr (Erbil) geschickt. In dem Brief heißt es:

„Wir, die Unterzeichnenden, sind Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Institutionen und Organisationen aus Europa. Als Intellektuelle, Akademiker, Juristen, Politiker, Schriftsteller, Künstler, Demokraten und Patrioten aus ganz Kurdistan prangern wir die schmutzigen Pläne an, die der genozidale Besatzungsstaat Türkei in Südkurdistan umzusetzen versucht.

Wie uns allgemein bekannt ist, ist die Vergangenheit und Geschichte der Türkei geprägt von einer endlosen Kette von feindseligen Handlungen gegenüber dem kurdischen Volk. Neben Provokationen in Westkurdistan/Rojava werden nun auch im Süden äußerst gefährliche Pläne geschmiedet. In der Region Zînê Wertê hat der türkische Staat den Grundstein für einen neuen Bruderkrieg gelegt, um seine blutrünstigen und feindlichen Ziele zu verwirklichen. Die Kräfte der kurdischen Volksbewegung sollen in einen Bürgerkrieg gezogen werden.“

Die PDK hatte im April ohne Wissen der Parteien YNK und Gorran im Namen der Regierung der Autonomieregion Kurdistan Peschmerga-Einheiten mit schweren Waffen in Zînê Wertê am Rande des Guerillagebiets im Qendîl-Gebirge stationiert. Für die PKK kommt dieser Schritt einer Kriegserklärung gleich. Vertreter von PDK und Regierung behaupten, die Truppenstationierung sei eine Präventionsmaßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Mittlerweile ist bekannt, dass es sich um einen langfristigen Plan handelt und die militärischen Kräfte aus Sicherheitsgründen nicht abgezogen werden. Die Truppenkonzentration ist Teil eines Abkommens, das im Februar beim Türkei-Besuch von Ministerpräsident Mesrur Barzanî geschlossen wurde.

„Werden wir als Pioniere der Kurdinnen und Kurden angesichts des versuchten Genozids an unserem Volk schweigen? Nein! Wir dürfen diese Pläne nicht stillschweigend hinnehmen, sondern müssen reagieren. Deshalb rufen wir alle kurdischen Parteien und ihre Einrichtungen in Europa und alle Personen, die Frieden fordern, das patriotische Volk Kurdistans und alle bewaffneten Kräfte, in erster Linie die Peschmerga, die Guerilla und ihre Kämpferinnen und Kämpfer auf, diesen verräterischen Plan zu vereiteln und eine gemeinsame Haltung einzunehmen, um eine Eskalation zu verhindern.

Die Kräfte, die kürzlich in Zînê Wertê stationiert wurden, müssen sich unverzüglich an ihren früheren Standort zurückziehen, da sie die Hauptursache für den Konflikt sind. Wir werden einen Bruderkrieg nicht akzeptieren.“

Die Unterzeichnenden fordern zudem Staaten und internationale Einrichtungen auf, ihre Beziehungen zum Regime in Ankara zu überdenken: „Sie sollten kein Partner der schmutzigen Politik des faschistischen türkischen Staates sein und kein Werkzeug für seine böswilligen Pläne. Im Gegenteil, die Menschheit und ihr Gewissen sollten sich solidarisch mit dem Kampf des kurdischen Volkes um ein gleichberechtigtes und freies Leben verbunden fühlen.“ 

Die Liste mit den Unterzeichnenden ist hier einzusehen.