Die türkischen Behörden in der kurdischen Provinz Mûş haben einen Grabbesuch bei Mîr Perwer verboten. Der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Mehmet Şirin Aydın hieß, war eines von drei Opfern bei dem Anschlag auf das Ahmet-Kaya-Kulturzentrum vom 23. Dezember 2022 in Paris. Bei dem Attentat auf die vom Demokratischen Kurdischen Rat in Frankreich (CDK-F) betriebene Einrichtung und angrenzende Läden kurdischer Geschäftsleute waren von dem französischen Killer William Mallet auch der Aktivist Abdurrahman Kızıl sowie Evîn Goyî (Emine Kara) getötet worden. Letztere war Vertreterin der kurdischen Frauenbewegung und kämpfte als YPJ-Kommandantin in Nordsyrien gegen den IS. Drei weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt.
Für den Grabbesuch bei Mîr Perwer hatten sich am Samstag viele Menschen, darunter auch Vertreterinnen und Vertreter der Parteien DEM und DBP sowie der Frauenbewegung TJA, gemeinsam auf den Weg in die Gemeinde Ewran (tr. Yeşilova) gemacht, wo der Künstler begraben liegt. Die türkische Militärpolizei (Gendarmerie) verhinderte der Menge jedoch mit Absperrungen den Zutritt in den Ort und verwies dabei auf eine entsprechende Verbotsverfügung des Gouverneurs. Die Anwesenden versuchten mit Nachdruck, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und die Grabstelle zu erreichen. Einigen Familienangehörigen von Mîr Perwer gelang das auch. Diese wurden jedoch teils unter Anwendung von Gewalt von der Begräbnisstätte wieder vertrieben
Mîr Perwer stammte aus einem Dorf in Ewran und lebte noch nicht lange in Frankreich, wo er Asyl beantragt hatte. Seine Heimat musste er aufgrund politischer Verfolgung des türkischen Staates verlassen. Er war aktiv bei der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und wurde deshalb unter „Terrorvorwürfen“ von der türkischen Justiz zu einer Haftstrafe verurteilt. Zuletzt versuchte er, seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter nachzuholen. Mîr Perwer gehörte der kurdischen Kulturbewegung TEV-ÇAND an.
Bei Mîr Perwers Beerdigung am 5. Januar in seinem Heimatdorf offenbarten sich der staatliche Hass und die Verachtung, der Kurdinnen und Kurden in der Türkei ausgesetzt sind. Der Leichnam wurde von Sicherheitskräften verschleppt, anstelle eines Leichenwagens wurde der Sarg mit einem Schaufelbagger zum Friedhof transportiert. An der Beisetzung konnten nur engste Familienangehörige teilnehmen, die ausgesperrten Trauergäste wurden mit Gummigeschossen, Tränengas und Wasserwerfern angegriffen. Es kam zu über dreißig Festnahmen.
Demonstration in Paris
In Paris findet derweil eine Demonstration anlässlich des ersten Jahrestages der Ermordung von Mîr Perwer, Evîn Goyî und Abdurrahman Kızıl statt. „Von 2013 bis 2024 liegt Paris im Dunkeln, wo ist die Gerechtigkeit?“ lautet mit Anspielung auf die weiterhin juristisch unaufgeklärte Ermordung der kurdischen Aktivistinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) vor knapp elf Jahren, ebenfalls in der französischen Hauptstadt, das Motto der Protestveranstaltung. Neben Mitgliedern der kurdischen Exil-Community beteiligen sich auch viele internationalistische Gruppen sowie Persönlichkeiten der französischen Politik und Zivilgesellschaft an der Demonstration.