Der Schutz der Totenruhe ist ein hohes Gut, die unantastbare Würde des Menschen wirkt über dessen Tod hinaus. Nicht aber für den türkischen Staat, sagt Orhan Lotus vom Gefallenenkomitee der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nach der erneuten Schändung des Gefallenenfriedhofs in der nordkurdischen Kreisstadt Licê (Provinz Amed/Diyarbakir). Die Grabstätten von Gefallenen der kurdischen Befreiungsbewegung waren vor zwei Wochen zu Beginn des islamischen Opferfests von türkischen Sicherheitskräften geschändet worden. Zwei Monate zuvor fanden die Angehörigen der Gefallenen den Friedhof nach dem Fastenmonat Ramadan verwüstet vor. Alle Grabsteine waren zerbrochen, einzelne Gräber wurden sogar mit Bulldozern vollständig zerstört.
Methoden wie Grabschändung oder Kriegsverbrechen wie der Leichenschändung haben in der Türkei System und sind Mittel der psychologischen Kriegsführung. Die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) greift ebenfalls immer wieder auf diese Praxis, die in Deutschland nach dem Völkerstrafrecht verfolgt wird, zurück.
„Der Feind wird seine gerechte Antwort erhalten“
„Die Angriffe auf Gefallenenfriedhöfe sind Angriffe auf die Werte des kurdischen Volkes. Insbesondere die Schändung des Friedhofs in Licê am Bayram macht deutlich, dass sich diese Angriffe gegen den Glauben und die moralische Werte der Kurden richten”, sagt Orhan Lotus. Für die kurdische Gesellschaft haben Gefallene eine große ideelle Bedeutung. Sie sind eine Quelle des Widerstands und spenden den Menschen Kraft. Diese Grundsätze sind ausschlaggebend für die Verteidigung der kurdischen Existenz, erklärt auch Lotus. „Ein Glaube oder eine Ideologie, die Verbrechen in solch einem abscheulichen Ausmaß tolerieren würde, existiert nicht. Die Totenruhe ist in allen Religionen traditionell heilig, eine Störung wird weltweit geächtet. Angriffe auf Gefallenenfriedhöfe wie es in der Türkei vorkommt, gibt es anderswo nicht. Lediglich der IS bediente sich diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch der türkische Staat unter Führung der AKP und MHP teilt diese Mentalität und verdeutlicht damit, die Linie des IS zu vertreten.“
Lotus erinnert daran, dass ein Volk ohne seine gesellschaftlichen Werte nicht existieren kann und erklärt: „Das Volk in Amed, das sich trotz hoher Verluste den Unterdrückern widersetzt, hat sich zu keiner Zeit dem Patriotismus abgewandt und steht stets für seine nationale Würde. Das geschah bereits bei den Massakern in Zilan, Dersim, Wan und Riha und wird auch weiterhin so sein. Die kurdische Jugend, die Frauen Kurdistans, unsere Mütter und Weisen werden angesichts dieser barbarischen Angriffe nicht schweigen. Der Feind wird seine gerechte Antwort erhalten.“