„Leichnam in der Kiste“: Proteste in Amed
Dem Solidaritätsverein MEBYA-DER ist verboten worden, vor dem Menschenrechtsdenkmal in Amed den entwürdigenden Umgang der türkischen Behörden mit den Leichen gefallener Guerillakämpfer:innen zu kritisieren.
Dem Solidaritätsverein MEBYA-DER ist verboten worden, vor dem Menschenrechtsdenkmal in Amed den entwürdigenden Umgang der türkischen Behörden mit den Leichen gefallener Guerillakämpfer:innen zu kritisieren.
In Amed ist gegen den staatlichen Umgang mit dem Leichnam des 2018 in Dersim gefallenen HPG-Kämpfers Mahsum Aslan protestiert worden. Die sterblichen Überreste sind von der Generalstaatsanwaltschaft Erzincan per Post zur Polizeidirektion Ergani, dem Wohnsitz seiner Familie, geschickt worden.
Der Solidaritätsverein der Gefallenenfamilien (MEBYA-DER) wollte zu diesem Vorgehen eine Erklärung vor dem Menschenrechtsdenkmal im Koşuyolu-Park in Amed (tr. Diyarbakir) abgeben. Die Erklärung wurde von Vertreter:innen der Parteien DBP und HDP, der Frauenbewegung TJA und Gefangenenhilfsorganisationen unterstützt.
Die Menschenmenge wurde vor dem Denkmal von der Polizei eingekreist, die öffentliche Meinungsäußerung wurde untersagt. Daraufhin drückten die Anwesenden ihren Protest durch einen schweigenden Sit-Inn aus.
Beisetzung bei Nacht und Nebel
Mahsum Aslan, dessen Nom de Guerre Firaz Paramaz lautete, kam am 2. Juni 2018 bei einem türkischen Luftangriff in der nordkurdischen Provinz Dersim ums Leben. Nur wenige Wochen später wurde seine in Erxenî (Ergani) lebende Familie von den verantwortlichen Behörden zur Abgabe einer DNA-Probe aufgefordert. Ganze drei Jahre ließ sich die Obrigkeit Zeit, einen Abgleich durchzuführen. Erst im Juli wurde den Eltern des gefallenen Kämpfers mitgeteilt, dass die Ergebnisse der DNA-Analyse vorliegen. Diese wandten sich daraufhin an die zuständige Staatsanwaltschaft, um die sterblichen Überreste von Mahsum Aslan in Empfang zu nehmen. Dort hieß es allerdings, dass sich die Behörde selbst um die Aushändigung kümmern würde.
Am 2. August wurde die Familie Aslan schließlich von der türkischen Polizeibehörde im Kreis Erxenî telefonisch aufgefordert, den Leichnam des Sohnes abzuholen. Auf der Polizeidirektion in dem Landkreis in der Provinz Amed mussten die Eltern von Mahsum Aslan feststellen, dass die Knochen des Kämpfers von der Staatsanwaltschaft Erzincan per Postzustellung in einer Kiste ausgehändigt worden waren. Den Angehörigen wurde untersagt, die Öffentlichkeit über die Bestattung zu informieren. Die Beisetzung im Dorf Yayvantepe musste deshalb in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgeführt werden.
Nicht der erste „Leichnam in der Kiste“
Der Umgang der türkischen Behörden mit den sterblichen Überresten von Mahsum Aslan weckt Erinnerungen an den Fall von Agit Ipek. Auch seine Leiche war der Familie in einer per Post verschickten Kiste zugestellt worden. Die Knochen durfte die Mutter des Kämpfers aber nur gegen eine Zahlung von 45 Lira erhalten. Anzeigen gegen die verantwortliche Justizbehörde blieben folgenlos. Das Verhalten der zuständigen Staatsanwaltschaft hätte „keinen Straftatbestand erfüllt“.