Kommandant Ersî: „Sie können in Heftanîn keinen Erfolg haben"

Der Guerillakommandant Rizgar Ersî spricht über die Lage in der südkurdischen Region Heftanîn und betont, dass der türkische Staat trotz technischer Überlegenheit mit seiner Invasion nicht erfolgreich sein wird.

Seit dem 15. Juni versucht der türkische Staat, die von der Guerilla verteidigte südkurdische Region Heftanîn zu besetzen. Zunächst wurden das Flüchtlingscamp Mexmûr, das ezidische Siedlungsgebiet Şengal und zahlreiche zivile Siedlungsgebiete in den Medya-Verteidigungsgebiet von Dutzenden Kampfflugzeugen bombardiert. Zwei Nächte später wurde die Besatzungsoperation in Heftanîn mit Luftangriffen und Bodentruppen ausgeweitet.

Rizgar Ersî ist einer Kommandanten der Volksverteidigungskräfte HPG und hat sich im Radiosender Dengê Welat über die Situation in der Region Heftanîn geäußert. Er sagt, die Türkei werde nicht leicht aus diesem Krieg herauskommen: „Die letzte Stunde des faschistischen Regimes hat geschlagen. Es setzt alles auf Aggression. Das Regime weiß, wenn es diesen Krieg verliert, ist es am Ende. Wir werden den faschistischen Feind auf den Müllhaufen der Geschichte werfen und die Freiheitsfahne auf allen Bergen Kurdistans hissen.“

Invasion gilt ganz Südkurdistan

Der Kommandant weist darauf hin, dass der türkische Staat seine Invasion in Südkurdistan schon seit zwei Jahren vorbereitet hat, und führt weiter aus: „Er versucht, einen etwa 30 bis 40 Kilometer breiten Streifen zu besetzen. Wenn ihm das gelänge, würde daraufhin der Angriff auf einer Linie von Qendîl bis Şengal fortgesetzt und ein Besatzungskorridor aufgebaut werden. Wenn der türkische Staat 30 oder 40 Kilometer des Berglands besetzt, würde für die Bevölkerung Südkurdistans nur die kleine Ebene zwischen Zaxo und Silêmanî bleiben. Die Angriffe auf Şengal, Mexmûr und die Medya-Verteidigungsgebiete zeigen, dass dieser Prozess begonnen hat.“

Die Guerilla ist das Schutzschild

Rizgar Ersî betont, der türkische Staat sei sich bewusst, dass dieser Plan nicht so leicht umzusetzen sei. Daher habe er mit der Invasion in Heftanîn begonnen. Er erklärt: „Seit neun Tagen [das Interview fand am neunten Tag der Invasion statt] findet ein großer Krieg und heftiger Widerstand in den Bergen Heftanîns statt. Die Guerilla kämpft ohne zu zögern und stellt ihr Leben wie ein Schutzschild gegen die Invasion. Sie leistet mutigen Widerstand und fügt dem Feind Schlag um Schlag zu.“

Der Beginn der Invasion

Ersî weist auf die Falschmeldungen und Lügenpropaganda in den türkischen Medien hin und sagt, die türkische Armee setze Söldner, Kontras, Dorfschützer und alles, was sie habe, ein und sei dennoch nicht erfolgreich. Er berichtet über den Beginn der Invasion:

„Zunächst beschoss das türkische Militär die Region tagelang mit schweren Waffen, Panzern und Haubitzen. Anschließend warfen die türkischen Bomber stundenlang Tausend-Kilo-Bomben über dem Gebiet ab. Dann rückten Cobra-Hubschrauber und Aufklärungsflugzeuge vor; es wurde versucht, eine Bodenoperation zu starten. Die Taktik der Guerilla war es, nicht zuzulassen, dass die Türkei einen Fuß auf den Boden in der Region bekommt. Vom ersten Moment an begannen die Angriffe auf das Militär."

Die Realität von Heftanîn

„Die Soldaten wurden von der Guerilla heftig getroffen und mussten sich zurückziehen. Das ist die Realität von Heftanîn”, berichtet Ersî. „Anschließend starteten sie unter noch massiverem Einsatz von modernstem Kriegsgerät eine zweite Angriffswelle – aber sie schafften es nur, sich auf einem Gipfel niederzulassen. In den vergangenen neun Tagen wurden fünf oder sechs Gipfel besetzt. Zuvor waren diese durch die Bombardierungen vollkommen deformiert worden."

Bilanz der ersten acht Tage

„Die Guerilla hat binnen acht Tagen zwanzig Aktionen durchgeführt. 15 Mal wurden Cobra-Hubschrauber angegriffen, viele von ihnen wurden beschädigt und mussten sich aus dem Kriegsgebiet zurückziehen. Es fanden Dutzende Sabotageaktionen statt. Mehr als 70 türkische Soldaten wurden getötet und Dutzende verletzt. In diesen acht Tagen sind fünf unserer Freund*innen im aufopferungsvollen Kampf gefallen. So ist die Lage.“

Die Guerilla wird der Türkei einen Strich durch die Rechnung machen

Ersî erklärt, die Guerilla sei sehr gut ausgebildet, politisch bewusst, äußerst opferbereit und entschlossen: „Deshalb können zwei unserer Kämpferinnen und Kämpfer an einer breiten Front manchmal auch gegen tausende Soldaten kämpfen und Widerstand leisten. Wir wissen um die Angst in den Invasionstruppen und um den Mut unserer Kämpferinnen und Kämpfer. Alle sollten es wissen, der neue Kriegsplan des faschistischen türkischen Regimes ist zum Scheitern verurteilt.

Was auch immer kommen mag, die Guerilla wird auf diesem Boden bleiben und gegen die Feinde unseres Volkes kämpfen. Wir sind die Guerilla. Es gibt für uns keinen Ort, an dem wir tagelang oder jahrelang fest bleiben. Jeder Quadratmeter Kurdistans ist unser Zuhause. Heute sind wir hier und morgen können wir dort sein. Wir sind eine Kraft, die professionell und logisch vorgeht und die Taktiken der neuen Phase umsetzt. Wir werden dem Feind nicht erlauben, unser Land in Ruhe zu besetzen und dort zu bleiben.“

Dieser Staat kann kein Freund für unser Volk sein

Ersî richtet sich an die Bevölkerung der Region Behdînan und von ganz Südkurdistan: „Alle, die auch nur ein bisschen Gewissen und Verstand besitzen, sollten sich auf die Seite der kurdischen Einheit stellen. Sie sollten die HPG unterstützen und Widerstand gegen die Invasion leisten. Wenn dies nicht geschieht, dann wird der Invasionsplan Erfolg haben und unser Volk auf einer Linie von Aleppo bis Kerkûk angegriffen werden. Ein faschistischer Staat, der plant, die Bevölkerung durch Massaker zu vernichten, kann niemals ein Freund unseres Volkes sein. Die Bevölkerung Südkurdistans ist mutig und kämpferisch. Sie sollte diese Pläne gut verstehen und wissen, dass der türkische Staat ganz Südkurdistan zu besetzen plant. Das Referendum von 2017 ist noch in unserem Gedächtnis lebendig. Erdoğan war der erste, der wegen des Wunsches nach Unabhängigkeit Drohungen ausstieß und sich gegen die Entscheidung stellte. So sehr sich das AKP/MHP-Regime jetzt auch als Freund der PDK und des Südens darstellt, diese Freundschaft reicht nur so weit, bis die PKK geschwächt ist. Jeder Tropfen Blut, den unsere Gefallenen vergießen, dient dazu, die Besatzer von Südkurdistan fern zu halten. Die Bevölkerung von Südkurdistan und insbesondere die Peschmerga sollten das wissen und sich dementsprechend verhalten.“

Die Haltung der Bevölkerung ist entscheidend

Ersî erinnert daran, dass der türkische Staat für die Ermordung von Zivilistinnen und Zivilisten in Metîna, Garê, Zap, Bradost, Şîladizê, Mexmûr, Şengal und Silêmanî verantwortlich ist und dass daher Kollaborateure aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden müssten. Südkurdistan sei voller Agenten des MIT. Er erinnert an die Invasion in Rojava und die Situation in Nordkurdistan und sagt: „Die Bevölkerungsstruktur ist aktiv verändert worden. Es wird nicht einmal mehr zugelassen, dass die Menschen ihre eigene Kultur und Sprache leben. Sie versuchen die kurdischen Kinder, ebenso wie die der anderen Völker, auf Türkisch zu erziehen. Sie führen ihre Währung zwangsweise ein. Alles, was es an Geschichte und Kultur der Völker der Region gibt, wird geplündert. Die Sprachen und die Kulturen werden massakriert, das Land besetzt und alles wird von dem rassistischen Kolonialregime als sein Eigentum beansprucht. Trotz alledem ist es nicht zu spät. Heute ist unser Volk erwacht. Seine Haltung ist würdig und wertvoll. Vor allem die Bevölkerung der Region Şîladizê hat sich gegen den schmutzigen Krieg der Türkei erhoben. Wir grüßen die aufständische Bevölkerung und gratulieren ihr. Unser Volk darf sich nicht beugen. Wir dürfen ein Leben ohne Würde und in Unterwerfung niemals akzeptieren.

Die Guerilla ist sich ihrer Verantwortung bewusst

Die Moral der Guerilla ist besser als jemals zuvor. Die Kämpferinnen und Kämpfer sind sich ihrer Verantwortung in dem historischen Befreiungsprozess bewusst. Sie sehen sich für ganz Kurdistan und seine Völker verantwortlich. Wenn es nicht die Unterstützung unseres Volkes und seine Bereitschaft zum Kampf gäbe, hätte unser Kampf keinen Sinn, das wissen wir genau. Genauso würde unser Volk ohne uns schutzlos den Massakern und Angriffen ausgesetzt sein. Dann könnte der mörderische türkische Staat seine Politik gegen unser Volk nach Belieben praktizieren. Deshalb setzen die HPG und die YJA-Star ihren antifaschistischen Kampf bis zum Sieg fort. Die Bevölkerung sollte daran glauben und muss sich diesbezüglich keine Gedanken machen. Wir werden bis zum Ende gegen den Faschismus kämpfen und die Umsetzung der Pläne des Regimes nicht erlauben. Es findet ein Angriff auf alle Teile Kurdistans statt. Von Xakurke über Heftanîn wie auch in ganz Nordkurdistan herrscht Krieg.

Alle müssen sich erheben

In letzter Zeit nehmen Aktionen der Jugend kontinuierlich zu. Sie können aber noch mehr machen. Alle Menschen müssen etwas gegen dieses kolonialfaschistische Regime unternehmen. Der türkische Staat wird nicht so leicht aus diesem Krieg herauskommen. Er schaufelt sich selbst sein Grab. Die letzte Stunde des faschistischen Regimes hat geschlagen. Es setzt alles auf Aggression, und es weiß, wenn es diesen Krieg verliert, ist es am Ende. Wir werden den faschistischen Feind auf den Müllhaufen der Geschichte werfen und die Freiheitsfahne auf allen Bergen Kurdistans hissen.“