Irakische Militärpräsenz in Şengal: Die Menschen haben Angst

Für die Bevölkerung von Şengal stellt die irakische Militärpräsenz eine erhebliche Belastung da. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und die Menschen haben Angst.

Der Irak hat seine Militärpräsenz im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal massiv verstärkt, viele Straßen in der Region sind gesperrt. Die erhöhte Präsenz der irakischen Armee in Şengal findet parallel zu der türkischen Invasion in den Guerillagebieten in Südkurdistan und den permanenten Angriffen auf Rojava statt. Die Verbindung zwischen Şengal, Rojava und den Medya-Verteidigungsgebieten soll abgeschnitten werden, alle drei Gebiete sollen isoliert und zermürbt werden. Offenbar gibt es eine Absprache zwischen der Erdogan-Regierung in der Türkei, der Barzanî-Partei PDK in Südkurdistan und der irakischen Zentralregierung unter Mustafa al-Kadhimi. Darauf deutet auch die Verhaftung der Journalist:innen Marlene Förster und Matej Kavčič am 20. April in Şengal hin. Die beiden Medienschaffenden aus Deutschland und Slowenien haben zu der Situation in der Region recherchiert und werden vom irakischen Geheimdienst wegen „Terrorunterstützung“ festgehalten.

Die Menschen in Şengal haben nach dem IS-Genozid von 2014, bei dem sie von der irakischen Armee und den Peschmerga der PDK im Stich gelassen wurden, eigene Strukturen der Verwaltung und Selbstverteidigung aufgebaut. Diese Strukturen will die Kadhimi-Regierung – offenbar in Absprache mit der Türkei – zerschlagen. Der KCK-Sprecher Zagros Hîwa sieht darin den Beweis, dass es im Irak keine staatliche Autorität mehr gibt. Der irakische Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi und dessen Amtskollege in der Kurdistan-Region Irak, Mesrûr Barzanî, hätten die irakischen Soldaten und die Peschmerga als „Kanonenfutter für Erdogans Armee freigegeben“, so der Sprecher der KCK.

Es gibt keinen Grund für die Militärpräsenz in Şengal“

Für die Bevölkerung von Şengal stellt die Militärbelagerung eine erhebliche Belastung da. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und die Menschen haben Angst. Xwedêda Mirad betreibt eine Schaffarm im Dorf Bare und sagt, dass er seine Herde nicht mehr wie früher weiden lassen kann. Wie ihm geht es vielen Schäfern in der Region. Mirad erklärt, dass die Sicherheitslage in Şengal gut war, bis die irakischen Truppen eingerückt sind: „Die Menschen, die bei dem Ferman [IS-Angriff von 2014] vertrieben wurden, wollten zurückkommen und wieder auf ihrem eigenen Land leben. Weil der Irak Truppen entsandt und unsere Sicherheitskräfte angegriffen hat, haben die Menschen Angst.“

 

Die ezidische Gemeinschaft habe bereits viel gelitten, fährt Mirad fort: „Anstatt uns zu bekämpfen, sollte der Irak uns Dienstleistungen anbieten und den Vertriebenen eine Rückkehr ermöglichen. Wir Eziden sind gegen Krieg. Wir wollen keinen Krieg in Şengal, das ist nicht in unserem Interesse. Bevor das irakische Militär diese Probleme verursacht hat, haben wir unbeschwert gelebt. Jetzt sind überall Soldaten und das beunruhigt die Menschen. Früher konnten wir unsere Schafe überall weiden lassen, aber inzwischen können wir nirgendwo mehr hingehen, an vielen Stellen gibt es Hindernisse. Wenn der Irak nicht in Şengal interveniert, können wir uns selbst verteidigen und verwalten. Es gibt keinen Grund für die Militärpräsenz in Şengal.“