Riham Hico: Der freie Wille von Şengal soll gebrochen werden
Die TAJÊ-Aktivistin Riham Hico schildert in einem ausführlichen und eindringlichen Interview die aktuelle Situation im ezidischen Kerngebiet Şengal im Nordirak.
Die TAJÊ-Aktivistin Riham Hico schildert in einem ausführlichen und eindringlichen Interview die aktuelle Situation im ezidischen Kerngebiet Şengal im Nordirak.
Nach dem IS-Genozid 2014 befreite sich die ezidische Region Şengal mit Hilfe der Guerilla HPG und den YPG und YPJ aus Rojava selbst und baute eine eigene Selbstverteidigung und eine basisdemokratische Selbstverwaltung auf. Der Irak, die mit der Türkei verbündete südkurdische Regierungspartei PDK und das AKP/MHP-Regime in Ankara sehen in der Selbstverwaltung der Ezid:innen jedoch einen Störfaktor für ihre Pläne und setzen alles daran, diese zu eliminieren. Dazu wurde am 9. Oktober 2020 ein Abkommen zwischen der irakischen Regierung und der PDK geschlossen, in dem die Auflösung der Selbstverwaltung und die Aufteilung der Kontrolle über die Region zwischen PDK und irakischer Regierung beschlossen wurde. Das Abkommen wurde unter der Aufsicht der ehemaligen niederländischen Verteidigungsministerin und UN-Sonderberichterstatterin Jeanine Antoinette Hennis-Plasschaert unterzeichnet und fand die Unterstützung der Regierungen der USA, Englands und Deutschlands. Der türkische Staat drückte offen seine Freude über das Abkommen aus. Seitdem nehmen die Aggressionen gegen die Selbstverwaltung von Şengal und die Bevölkerung der Region zu.
Um den Druck zu erhöhen, hat das irakische Militär im März damit begonnen, eine Mauer entlang der Grenze zwischen Şengal und Rojava zu errichten. Der Bau wurde mit der Verlegung von Stacheldraht vorbereitet. Ziel ist die Errichtung einer 3,75 Meter hohen und 250 Kilometer langen Mauer, welche die Region Şengal isolieren und abhängig machen soll. Über die Situation in der Region, die Politik der PDK und die Rückkehr der immer noch in Flüchtlingslagern in Südkurdistan lebenden Ezid:innen hat sich Riham Hico von der Freien Frauenbewegung von Êzîdxan (TAJÊ) im ANF-Interview geäußert.
Wie wurde nach der Befreiung von Şengal das Projekt der Autonomieverwaltung aufgebaut und inwiefern war Ihr Projekt erfolgreich?
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns gerade im den für die ezidische Gemeinschaft heiligen Monat April, dem schönsten Monat des Jahres, befinden und unserem Volk zum Çarşema Serê Nîsanê gratulieren. Ich hoffe, dass uns dieses Fest einen Schritt weiter zu einem freien Leben auf unserem eigenen Land entsprechend unseres Glaubens und unserer Kultur führen wird. Im Laufe der Geschichte war Şengal Genozid und Massakern ausgesetzt. 73 Mal standen die Menschen hier einem Vernichtungsbefehl (Ferman) gegenüber. Die ezidische Gesellschaft befand sich permanent auf der Suche nach Mitteln gegen diese Völkermordpläne und damit in einem ständigen Widerstand. Bis vor dem letzten Ferman (dem IS-Genozid im Jahr 2014), hatten wir immer folgenden Weg gewählt: Wir sahen, dass wir die Mörder nicht besiegen konnten, und zogen uns zurück, um unsere Generation zu erhalten.
Aber beim letzten Genozid haben wir verstanden, dass wir die Angriffe nicht überleben würden, auch wenn wir uns zurückziehen und fliehen würden. Früher haben Ezidinnen und Eziden von hier (Şengal) bis Aleppo gelebt. Das Zweistromland wurde als ezidisches Land bezeichnet. Da der Widerstand und die Methoden des Kampfes nur unzureichend waren, wurden die Eziden von diesem Land vertrieben, sie wurden in die Diaspora gezwungen und nur Şengal ist uns geblieben.
Projekt eines kollektiven und basisdemokratischen Zusammenlebens
Nach dem 73. Ferman entwickelten wir ein Lösungsprojekt, um nicht auch noch Şengal zu verlieren. Was war das für ein Projekt? Wir wollen innerhalb der Grenzen des Irak leben. Dieses Land hat eine Verfassung, in der Sunniten, Schiiten, Kurden, Araber und verschiedene religiöse und ethnische Gruppen zusammenleben sollen. Unser Projekt ist ein Projekt der Autonomie, um sicherzustellen, dass all diese Gruppen gleichberechtigt und frei zusammenleben, ohne sich gegenseitig Rechte streitig zu machen. Denn unser Projekt richtet sich an alle in gleicher Weise. Es ist kein Projekt von außen oder ein zentralistisches Projekt, es ist ein Projekt, mit dem wir uns alle selbst verwalten.
„Unsere Forderung nach Autonomie entspricht der irakischen Verfassung“
Was wollen Sie konkret für einen Status für Şengal und ist dies nach der irakischen Verfassung möglich?
Die ezidische Gesellschaft wurde immer gezwungen, von außen beherrscht zu werden. Immer wurde versucht, jemanden von außen hier einzusetzen, der uns regieren sollte. Als Reaktion darauf haben wir ein System geschaffen, in dem sich die Ezidinnen und Eziden im Rahmen der Gesetze des Irak selbst verwalten und ihrem Wesen und ihren Bedürfnissen entsprechende Institutionen entwickeln können. Es bestand die ernsthafte Notwendigkeit, einen Selbstverteidigungsmechanismus und Strukturen zu schaffen, durch die sich die Gesellschaft selbst verwalten kann. Tatsächlich erlaubt die irakische Verfassung dies, es gibt Artikel, die besagen, dass alle im Irak lebenden ethnischen und religiösen Gruppen Autonomie haben sollten. Aufgrund des Drucks von außen auf die Zentralregierung des Irak wird von dieser jedoch verhindert, dass unsere Forderung nach Autonomie erfüllt wird. Es wurden verschiedenste Vorwände angeführt und sogar einige Gesetze eingefroren, um zu verhindern, dass wir unser Recht auf Autonomie in Anspruch nehmen. Alle anderen Gruppen im Irak haben diese Gesetze genutzt und das Recht auf Autonomie erhalten. Die einzige Gemeinschaft, der die Autonomie vorenthalten wurde, ist die in der Şengal-Region. Gemäß unserem Projekt ist vorgesehen, dass in dem Rat, den wir aufbauen, alle Religionen, Konfessionen und ethnischen Gruppen, die in Şengal leben, auf gleiche Weise vertreten werden. Durch diese gleichberechtigte Repräsentation können die Probleme in Şengal aus dem Weg geräumt werden.
„Ezid:innen auf der ganzen Welt blicken auf Şengal“
Es gibt auch eine große ezidische Gemeinschaft in den anderen Teilen Kurdistans und in der Diaspora. Was kann eine Autonomieverwaltung in Şengal für die Situation dieser Ezidinnen und Eziden beitragen?
Heute sehen alle Ezidinnen und Eziden in Şengal das Zentrum ihres Glaubens. In Rojava, in Nord- und Südkurdistan, in Europa und auf der ganzen Welt liegt die Hoffnung der ezidischen Gemeinschaft auf Şengal, alle Augen sind auf die Region gerichtet. Daher wird unser Autonomieprojekt versuchen, nicht nur die in Şengal lebenden Ezidinnen und Eziden zu repräsentieren, sondern auch diejenigen, die außerhalb leben. Aus diesem Grund stehen wir in Kontakt mit ezidschen Communities in den anderen Teilen Kurdistans und anderen Ländern, insbesondere in Rojava. Unserem Frauenrat gelingt das am besten. Wir brauchen eine Koordination, die alle Ezidinnen und Eziden vertritt. Dafür wurden bereits die ersten Schritte getan, aber sie muss gestärkt werden. In Zukunft müssen mehr Diskussionen über dieses Thema geführt werden, da Ezidinnen und Eziden nicht nur in Şengal, sondern überall, wo sie leben, mit Problemen konfrontiert sind. Wenn wir uns nicht unter einem Dach vereinen, werden wir in Zukunft noch mehr gespalten, stehen vor noch ernsteren Problemen und werden nicht in der Lage sein, mit der Assimilation fertig zu werden.
„Die Hauptprobleme liegen im Bildungsbereich“
Welche Institutionen der Selbstverwaltung gibt es bereits und was ist ihre Funktion?
Als TAJÊ sind wir Teil der autonomen Struktur. Außerdem haben wir unsere Sicherheitskräfte, die Verkehrssicherheit und Institutionen im Kultur- und Gesundheitsbereich und auch die Jugendbewegung und ähnliche Strukturen. Eines unserer Hauptprobleme liegt im Bildungsbereich. Obwohl wir ausreichend Lehrkräfte haben, gibt es eine mangelnde Zahl an Schülerinnen und Schülern. Da verschiedene Kreise in Şengal Schulen betreiben, wissen die Kinder nicht, welche Schule sie bevorzugen sollen, und das stellt ein ernstes Problem dar. Es ist den Menschen oft nicht bekannt, welchem Ziel diese Schulen dienen. Das betrifft insbesondere die Schulen der Zentralregierung.
„Selbstverwaltete Schulen werden vom Irak unter Druck gesetzt“
Die Kinder sind unsere Zukunft und müssen gut ausgebildet werden. Wir wissen jedoch nicht, welche Art von Lehrplan in diesen Schulen implementiert wird und wie die Lehrkräfte ausgewählt werden. Wie wir allerdings sehen, zielen diese Schulen darauf ab, die ezidische Gemeinschaft unwissend und unbewusst zu halten. Denn in den Schulen, von denen ich spreche, werden die Kinder nicht ihrer Identität entsprechend unterrichtet. Die Schulen der Selbstverwaltung werden von der irakischen Zentralregierung unter Druck gesetzt. Nach dem Abkommen vom 9. Oktober 2020 wuchs der Druck. Die Regierung hindert uns daran, Kinder nach den Prinzipien des ezidischen Glaubens zu erziehen. Die Bildung in regierungsnahen Schulen hat nichts mit der Realität der ezidischen Gemeinschaft zu tun. Zum Beispiel werden in diesen Schulen nur die islamische Geschichte und die arabische Geographie gelehrt. In Schulen, die an die Selbstverwaltung angeschlossen sind, ist das Gegenteil der Fall, der Unterricht findet ganz nah an der Realität der ezidischen Gemeinschaft statt. Dasselbe gilt für andere Institutionen. Alle unsere Institutionen sind nach den Bedürfnissen unserer Gesellschaft organisiert.
„Die selbstorganisierte Kommunalverwaltung dient den Menschen“
Ich möchte ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit der Kommunalverwaltung geben. Es gibt sowohl die Kommunalverwaltung der Selbstverwaltung als auch die der Zentralregierung. Die Kommunalverwaltung erbringt trotz des ihr vom Staat zugewiesenen Geldes keine Dienstleistungen für die Bevölkerung, während unsere Kommunalverwaltung trotz äußerst beschränkter Mittel alle möglichen Dienstleistungen für die Bevölkerung erbringt. Wenn Sie heute an Orte wie Xanesor, Sinûnê, Til Êzer, Zorava oder die Stadt Şengal gehen und die Menschen danach fragen, welche Kommunalverwaltung für sie arbeitet, dann werden Sie das, was ich meine, noch besser verstehen. Die Menschen selbst sagen: „Wenn es Eure Kommunalverwaltung nicht gäbe, hätten wir weder Wasser noch Straßen.“
„Beim Şengal-Abkommen hat die PDK die entscheidende Rolle gespielt“
Worauf zielt das am 9. Oktober 2020 geschlossene Abkommen ab und welche Rolle spielte die PDK dabei?
Der Zweck des Abkommens vom 9. Oktober war die Liquidierung der Selbstverwaltung von Şengal. Sie (die irakische Regierung und die PDK) wollten den Ezid:innen den Willen nehmen und sie in eine Situation wie vor dem Ferman von 2014 bringen. Sie taten so, als ob dieser Völkermord nie stattgefunden hätte, und unterzeichneten das Abkommen. Das taten sie, weil sie sich bewusst waren, dass die Selbstverwaltung von ihnen Rechenschaft für ihre Rolle beim Genozid verlangen würde. Die irakische Regierung und die PDK sahen, dass die Selbstverwaltung diplomatisch für die internationale Anerkennung des Genozids arbeiten würde. Wenn die Welt den Genozid anerkennen würde, würden diejenigen, die bei diesem Völkermord geholfen und mit den Tätern kollaboriert haben, strafrechtlich verfolgt werden. Das haben sie gesehen und dann dieses Abkommen zur Liquidierung unserer Selbstverwaltung vorbereitet. Kurz gesagt wollten sie verhindern, dass die Ezidinnen und Eziden nicht mehr unter ihrer Kontrolle stehen und frei leben.
„Hinter der PDK steht der türkische Staat“
Wenn ich nun zu Ihrer Frage zur PDK komme: Die PDK hat in diesem Abkommen eine Führungsrolle eingenommen. Die irakische Regierung ist von diesem Abkommen eigentlich nicht überzeugt, steht aber unter dem Druck der PDK und der Türkei. Die Türkei und die PDK nutzten die inneren Widersprüche des Irak, um die Regierung unter Druck zu setzen. Die PDK droht dem Irak ganz offen. Hinter der PDK steht der türkische Staat. Der türkische Staat trifft die Entscheidungen und die PDK setzt sie um. Vor dem Genozid betrachtete sich die PDK als Besitzerin der Region. Es gab hier nur ihre Institutionen und ihre militärischen Kräfte. Aber nach dem Verrat während des Genozids – oder sagen wir besser ihrer Kollaboration, denn die PDK hat manche Gebiete mit demn IS eingetauscht – verlor die PDK Şengal. Das hat sie bis heute nicht verdaut. Deshalb versucht sie Şengal nun sozusagen auf „Werkeinstellungen“ zurückzusetzen, so als wäre nichts geschehen. Aber die ezidische Gemeinschaft stellt sich dem entgegen und sagt ‚Nein‘. Damit Şengal wieder unter die Kontrolle der PDK geraten kann, muss zunächst die Repräsentation des Willens der Menschen hier, die Selbstverwaltung, ausgeschaltet werden. Die PDK spielte also die führende Rolle im Abkommen vom 9. Oktober. Aber unser Volk hat großen Widerstand gegen dieses Abkommen geleistet, es hat klar gemacht, dass es seine Umsetzung nie zulassen werde. Dieser Kampf geht bis heute weiter.
„Rojava und Şengal sollen auseinander gerissen werden“
War der Mauerbau zwischen Şengal und Rojava Teil dieses Abkommens? Welchen Widerstand leisten Sie gerade gegen diese Mauer?
Tatsächlich haben die PDK und der Irak schon lange versucht, diese Mauer zu bauen. Bereits 2017 hatten die vom türkischen MIT ausgebildeten und organisierten „Roj Peschmerga“ mit ihrem Verrat in Xanesor darauf abgezielt, eine Mauer nach Rojava zu errichten. Damals strömte die Bevölkerung nach Xanesor und leistete Widerstand dagegen. Die sogenannten „Roj Peschmerga“ sollten an der Grenze zwischen Rojava und Şengal stationiert werden und die Regionen voneinander trennen. Aber damit waren sie nicht erfolgreich. Anschließend wurde versucht, die Kontras mit Unterstützung des Geheimdiensts der PDK und Luftangriffen dort hinzubringen. Als das ebenfalls nicht gelang, kam das Abkommen vom 9. Oktober auf die Tagesordnung. Zusätzlich zum Projekt des Mauerbaus kam es gleichzeitig zu Repression und Gewalt in vielen Gebieten. Sie haben Spezialkriegsmethoden angewandt, die von der Ausstellung von Haftbefehlen gegen Vertreterinnen und Vertreter der Selbstwaltung bis hin zur Entscheidung zur Auflösung der Sicherheitskräfte reichten. So sollte Şengal unter ihre Kontrolle gebracht werden. Als man damit auch nicht erfolgreich war, wurde entschieden, den Mauerbau an der Grenze nach Rojava zu beginnen. Es wurde behauptet, die Mauer werde gegen den IS errichtet. Aber die PDK und die irakische Regierung wissen viel besser als alle anderen, wo der IS ist und wer diese Terroristen unterstützt. Im Wesentlichen richtet sich diese Mauer sowohl gegen Rojava als auch gegen Şengal. Ihr Ziel ist es, die beiden Regionen auseinanderzureißen und sie einem Embargo zu unterwerfen. Es geht darum, Şengal einzukreisen und den Willen der Menschen zu brechen. Die Verbindung zu den anderen Gebieten ist ohnehin bereits früher abgerissen. So wie Kurdistan geteilt wurde, soll nun die ezidische Gesellschaft auseinandergerissen werden.
„Die Kriegspläne gegen Rojava sind dieselben wie die gegen Şengal“
Warum soll die Verbindung von hier nach Rojava abgeschnitten werden?
Es ist wichtig zu betonen, dass Şengal immer eng verbunden mit Rojava war. Es gibt ein geistiges Band zwischen Şengal und Rojava und sie wollen es durchtrennen. Unser Modell der Selbstverwaltung ist dem in Rojava sehr nah. Wenn Şengal in Schwierigkeiten ist, dann kommt Rojava zu Hilfe. Das haben wir am besten während des Genozids von 2014 gesehen. Die ersten, die uns zu Hilfe kamen, waren die Kämpferinnen und Kämpfer aus Rojava. Wir stehen auch in enger Verbindung mit Rojava, wenn es darum geht, dass die vom IS Verschleppten zu ihren Familien zurückkommen. Sagen wir einfach, Rojava und wir sitzen im selben Boot. Die Kriegspläne gegen Rojava sind dieselben wie die gegen Şengal. Das Volk von Rojava ist sehr sensibel für die Menschen der Şengal-Region.
Wie ist Ihre Beziehung zu den anderen Teilen Kurdistans und den Nachbarstaaten?
Die Selbstverwaltung hat Kontakt zur Regierung in Bagdad. Als TAJÊ haben eine stärkere Beziehung zur Gesellschaft des Irak als zur Regierung. Wir haben freundschaftliche Beziehungen zu Strukturen in Kerkûk, Bagdad und Silêmanî. Es gibt jedoch weder Beziehungen zwischen Hewlêr und der Selbstverwaltung noch zwischen Hewlêr und der TAJÊ. Wir haben Beziehungen zu vielen Ländern des Nahen Ostens. Unter anderem haben wir als TAJÊ an einer Frauenkonferenz im Libanon teilgenommen.
„Die PDK benutzt die Ezid:innen in den Lagern”
Ein Teil der ezidischen Bevölkerung lebt in Lagern in Rojava und in Südkurdistan. Was tun Sie für ihre Rückkehr nach Şengal?
In den Flüchtlingslagern in Rojava sind nur noch sehr wenige Ezidinnen und Eziden. Die meisten, die noch dort sind, leben in Häusern und ihre Situation ist im Allgemeinen gut. In Südkurdistan ist ihre Zahl größer und die meisten von ihnen sind in Gefahr. Die PDK versucht auf verschiedene Weise zu verhindern, dass diese Menschen auf ihr Land nach Şengal zurückkehren. In Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten wird versucht, sie nach Europa zu bringen. Sie werden in Behausungen mit zwei Zimmern ohne jede Infrastruktur untergebracht. Wir haben wiederholt gefordert, dass sie nach Şengal zurückkehren können. Es wurde sogar ein Rückkehrkomitee der Selbstverwaltung gegründet und wir tun alles dafür, damit sie den Weg zurück finden. Aber die PDK verbreitet immer wieder Propaganda und sagt: „Kehrt nicht nach Şengal zurück, dort ist es nicht sicher, der türkische Staat greift jeden Tag an.“ Das ist Teil der Spezialkriegspolitik, um die Menschen an ihrer Rückkehr zu hindern. Natürlich müssen wir in dieser Hinsicht auch Selbstkritik üben, denn sie können kommen und genauso leben wie wir. Wir müssen sie nur davon überzeugen.
„Die Sicherheitslage in Südkurdistan ist schlechter als in Şengal“
Heute unterscheidet sich die Sicherheitslage in Südkurdistan in anderer Weise von der in Şengal, dort ist das Sicherheitsproblem größer. Es gibt ständig Angriffe des türkischen Staates in der Nähe von Lagern in Südkurdistan. In diesen Lagern verhindert die PDK die Organisierung der Menschen, durch die diese zur Rückkehr überzeugt werden könnten. Wir wissen sehr genau, dass unsere Freundinnen und Freunde, die wir dorthin schicken, verhaftet werden. Aber das sollte für uns keine Entschuldigung sein. Unser Volk hier könnte die Menschen in den Lagern auch per Telefon von der Rückkehr überzeugen. In diesen Lagern wird unser Volk gefangen gehalten, die Menschen werden (von der PDK) bei Wahlen, in der Diplomatie, der Politik und der Wirtschaft benutzt. Die PDK beschlagnahmt die Hilfsgüter, die von außerhalb in diese Lager geschickt werden. Sie droht den Menschen und sagt: „Wenn ihr uns nicht wählt, werden wir eure Nahrungsmittelversorgung einstellen.“ Sie lässt sie mit Gewalt in ihre Nachrichtenkanäle zerren und Propaganda gegen die Selbstverwaltung machen.
„Kehrt zurück auf das Land, auf dem Ihr aufgewachsen seid“
In der Tat ist dieses Thema sehr wichtig, und wir müssen viel härter arbeiten, um die Menschen, die in den Lagern leben, zu überzeugen. Ich möchte über Ihre Agentur an diese Menschen noch einmal folgenden Aufruf richten: Die Heimat kann durch nichts ersetzt werden. Warum lebt Ihr seit sieben Jahren in Lagern, wo doch ein Leben in Würde auf Eurem eigenen Land auf Euch wartet? Euer Aufenthalt in den Lagern fügt Euch, Eurem Glauben und Şengal großen Schaden zu. Kehrt zurück auf das Land, auf dem Ihr aufgewachsen seid.