Die kurdisch-irakische Untersuchungskommission von Abgeordneten aus Bagdad und Hewlêr (Erbil) hat ihren Abschlussbericht zur andauernden Invasion der Türkei an die Zentralregierung und das Parlament in Bagdad übergeben. Wie der irakische Abgeordnete Kati al-Rikabi, Mitglied des Sicherheits- und Verteidigungsausschusses des Parlaments, gegenüber der irakischen Zeitung Al Sabah äußerte, enthalte der Bericht konkrete Handlungsempfehlungen, die auf ein Ende der türkischen Militärpräsenz auf dem Territorium des Irak abzielen.
„Der Bericht nennt Verletzungen der Souveränität und territorialen Integrität des Iraks, Umwelt- und Naturzerstörung und Waldrodungen“, so Al-Rikabi. Der türkische Staat wolle das, was er in Syrien getan hat, im Irak wiederholen. Die Untersuchungskommission werde darauf hinwirken, dass sich die Regierung in Bagdad „so schnell wie möglich“ mit dem Bericht befasst.
Untersuchungen in Zap und Metîna
Die Kommission hat sich am 8. und 9. Juni zu Untersuchungen in Dörfern und Gemeinden in Metîna und der Zap-Region aufgehalten. Anlass der Reise war die ungeklärte Explosion eine gepanzerten Transporters von PDK-Einheiten im Guerillagebiet, für die der türkische Staat, die PDK und das deutsche Konsulat in Hewlêr die PKK verantwortlich machen. Die HPG haben eine Beteiligung zurückgewiesen und eine unabhängige Untersuchung gefordert, auch ein Vertreter des Peschmerga-Ministeriums hatte festgestellt, dass es sich um den Angriff eines F-16-Bombers oder einer bewaffneten Drohne gehandelt haben müsse. Am 8. Juni kam in Derkar ein weiterer Peschmerga unter ungeklärten Umständen ums Leben, auch bei diesem Vorfall hat die PKK eine Beteiligung bestritten.
Waldrodungen in 60 Dörfern
Die Abgeordnete Şayan Eskeri hatte am Sonnabend bereits erste Untersuchungsergebnisse der parlamentarischen Kommission veröffentlicht. Zum Tod des Peschmerga in Derkar sagte Eskeri: „Er ist in unmittelbarer Nähe seines Stützpunktes gefallen. Nirgendwo in der Umgebung ist die Guerilla präsent.“ Der am 5. Juni angegriffene Truppentransporter sei ein Tag vor ihrem Eintreffen entfernt worden, obwohl den Behörden die geplante Untersuchung bekannt gewesen sei.
Eskeri erläuterte ihre Eindrücke von der Umweltzerstörung im Zuge der türkischen Invasion und wies auf die entfachten Waldbrände und die systematische Abholzung von Bäumen hin: „Leider konnten wir nicht in die Dörfer im Grenzgebiet fahren, weil weiterhin Luftangriffe stattfinden und die Menschen ihre Dörfer deswegen verlassen mussten. Die Bewohner der Region haben uns mitgeteilt, dass der türkische Staat ihre Wälder rodet und das Holz in die Türkei schafft. Betroffen davon sind die Waldflächen von sechzig Dörfern.”
Gebiet so groß wie Gibraltar bereits abgebrannt
Seit dem 23. April findet eine Invasion höherer Intensität des türkischen Staates in verschiedenen Gebieten Südkurdistans statt. Dabei kommen neben Kampfdrohnen und regulären Bodentruppen auch islamistische Söldner zum Einsatz. Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Organisation „Naturschutz in Kurdistan” sind in den ersten vierzig Tagen der Besatzungsoperation über 700 Hektar Anbaufläche aufgrund den Bombardements der türkischen Armee abgebrannt – ein Gebiet so groß wie Gibraltar. Im selben Zeitraum wurden in den Dörfern in Kanî Masî und Avaşîn rund 1.300 Bienenstöcke vernichtet. In der Ortschaft Adne ist eine große Wasserpumpstation zerstört worden.
130 km2 Natur in zehn Jahren zerstört
Verteilt auf die vergangenen zehn Jahre sind laut der NGO über 130 km2 landwirtschaftlicher Flächen und Wälder in Südkurdistan vernichtet worden. Eine Fläche so groß wie Schwerin. Für rund ein Drittel der Zerstörung sei das iranische Regime verantwortlich, der Großteil gehe auf das Konto des NATO-Partners Türkei. Durch die irreversible Entwaldung dezimiert sich aber auch die Fauna, hebt die Organisation hervor. Der Rückgang bestimmter Wildtierpopulationen gehe mit der Häufigkeit von Konflikten einher. Rund die Hälfte des Waldbestands in Südkurdistan und dem Irak sei in den vergangenen 50 Jahren durch Kriege und Angriffe zerstört worden.
103 Zivilist:innen seit 2016 getötet
Auch die kirchliche Friedensinitiative Christian Peacemaker Teams (CPT-Iraqi Kurdistan) macht regelmäßig auf die Auswirkungen von türkischen Militäroperationen auf das Leben und die Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung in Südkurdistan aufmerksam. Laut den jüngsten Zahlen der Organisation, die seit 2007 in der Region aktiv ist, sind in den vergangenen fünf Jahren mindestens 103 Zivilist:innen bei türkischen Angriffen auf Südkurdistan getötet wurden. Die Initiative benennt 148 Dörfer, die im selben Zeitraum entvölkert wurden – 22 davon im verlauf der andauernden Angriffe zwischen Ende April und Anfang Juni. Weitere 500 Dörfer seien aktuell akut von Entvölkerung bedroht.