Bei dem am Donnerstag in der Provinz Bedlîs (tr. Bitlis) gefallenen Guerillakämpfer handelt es sich um Güven Özcan (Kampfname: Rêdûr Sîser). Das teilten die Volksverteidigungskräfte (HPG) heute in Behdînan mit. In der von der Pressestelle der HPG herausgegebenen Erklärung heißt es:
„Die türkische Besatzungsarmee hat seit Anfang Juli eine umfassende und ununterbrochenene Operation im Gebiet Xîzan in Garzan durchgeführt. Bei der Operation kamen Tausende Soldaten und Kontras mit aller zur Verfügung stehenden Kriegstechnologie zum Einsatz. Das Gebiet wurde tagelang aus der Luft von Kampfjets und Hubschraubern bombardiert, am Boden wurden Panzerwagen eingesetzt. In zehn Dörfern wurde eine Ausgangssperre verhängt, die Armee bombardierte panisch alle Lebewesen, die sich im Gelände bewegten. Die ununterbrochenen Angriffe der türkischen Armee in Garzan haben in diesem Monat ein weiteres Mal vor Augen geführt, in welchen Zustand die große Angst vor der Freiheitsguerilla Kurdistans den Feind gebracht hat.
Eine Gruppe unserer Weggefährt:innen hat einen Monat lang Widerstand gegen die Operation geleistet und die Angriffe trotz mehrerer Feindkontakte mit der türkischen Armee ins Leere laufen lassen. Unser Genosse Rêdûr wurde bei einem dieser Feindkontakte verwundet, aber er hat nicht aufgegeben und mit großer Entschlossenheit gekämpft. Auch bei seinem letzten Gefecht gegen den Feind leistete er heldenhaften Widerstand. Er ist am 27. Juli gefallen, durch intensive Bombardierung durch den feigen Feind, der Angst vor dem Nahkampf gegen die Guerilla hat.
Hevalê Rêdûr hat in seinem gesamten Kampfleben und in den letzten 26 Tagen seines Widerstands größte Opferbereitschaft gezeigt. Dieser Widerstand war ein prägnantes Beispiel für die Verbundenheit mit erhabenen Werten und unumkehrbare revolutionäre Entschlossenheit. Der unvergleichbare Mut und die Willensstärke unserer tapferen Weggefährt:innen angesichts der Angriffe Tausender Soldaten mit Kampfjets, Hubschraubern und Panzerwagen wird in die Geschichte eingehen. Unser Volk wird diese Held:innen und ihren sehr bedeutsamen und wertvollen Widerstand niemals vergessen. Im Herzen der patriotischen Bevölkerung Kurdistans wird man sich immer an diese opferbereiten Militanten erinnern.“
Die HPG sprechen der Familie des Gefallenen und dem kurdischen Volk ihr Beileid aus und erklären, dass die Geisteshaltung und der unerschütterliche Willen von Menschen wie Rêdûr Sîser ihren Kampf weiter prägen werden.
|
Codename: Rêdûr Sîser
Vor- und Nachname: Güven Özcan
Geburtsort: Bedlîs
Namen von Mutter und Vater: Gulhayat – Sabri
Todestag und -ort: 27. Juli 2023 / Garzan |
Rêdûr Sîser ist im Landkreis Norşîn (tr. Güroymak) in Bedlîs zur Welt gekommen. Er wuchs in einem Dorf mit den Wertvorstellungen und der von der Bevölkerung in der kurdischen Region Garzan gepflegten Kultur auf. Seine Sozialisation fand in einem patriotischen Umfeld statt, und seine Persönlichkeit nahm bereits in seiner Kindheit einen aufrichtigen, direkten und freundlichen Charakter an. Acht Jahre lang besuchte er eine staatliche türkische Schule, aber er war lieber im Dorf und in der Natur. Um seine Familie zu unterstützen, arbeitete er als Hirte und übernahm weitere Jobs. Weil sein Onkel und sein Cousin in der kurdischen Befreiungsbewegung kämpften, bestand bei ihm schon als Kind eine emotionale Verbundenheit mit der Guerilla. Er hörte Geschichten über die Freiheitskämpfer:innen in den Bergen, die sein Denken und Fühlen prägten. 2015 schloss er sich ihnen in seiner Heimat Garzan an.
In den Bergen ging Rêdûr Sîser nach einer Grundausbildung sofort in die Praxis. Er gewöhnte sich schnell an seine neue Umgebung, in der schwierige Bedingungen herrschten und der Feind in ständiger Nähe war. Mit seiner praktischen Veranlagung begriff er sofort, was gerade notwendig war, und er handelte entsprechend. „Sein rebellischer Geist, sein ausgeglichener Charakter und seine konsequente Persönlichkeit machten ihn zu einem erfolgreichen Revolutionär“, so die HPG. Er hielt sich in verschiedenen Gebieten in Garzan auf, beteiligte sich an Aktionen und übernahm selbstlos in schwierigen Momenten Verantwortung. Gleichzeitig war es ihm ein wichtiges Anliegen, sich auf der Grundlage der apoistischen Philosophie weiterzubilden. Ihm war klar, dass revolutionäre Gefühle und Ziele nicht ausreichen, wenn sie keine ideologische Grundlage haben und nicht auf einem entsprechenden Bewusstsein basieren. „So wurde er ein führender Militanter, dessen Theorie und Praxis übereinstimmten“, erklären die HPG in ihrem Nachruf.
Nach knapp drei Jahren in Garzan kam Rêdûr Sîser 2017 in die Medya-Verteidigungsgebiete und nahm an einem Lehrgang über den Guerillakampf der Demokratischen Moderne an den Appollo-Akademien teil. Er spezialisierte sich auf den Gebrauch von halbautomatischen Waffen und beschäftigte sich mit moderner Kampftaktik. Danach nahm er an der Arbeit des zentralen Hauptquartiers teil und übernahm mit großer Disziplin und Konsequenz Verantwortung in verschiedenen Bereichen, unter anderem bei der Befestigung von Verteidigungs- und Kampfstellungen.
Rêdûr Sîser hinterließ mit seinem Einsatz bleibende Spuren, aber er wollte keinen gewöhnlichen Weg gehen. Er wollte ein außergewöhnlicher und stürmischer Revolutionär in außergewöhnlichen Zeiten sein. An diesem Ziel richtete er seine Praxis aus. Zur Vorbereitung auf den Kampf im Norden Kurdistans kam er 2020 an die Şehîd-Îbrahîm-Akademie und ging von dort aus zurück nach Garzan. Der Weg war beschwerlich, aber Rêdûr Sîser führte seine Guerillagruppe sicher an Hinterhalten der türkischen Armee vorbei und ließ Militäroperationen scheitern. Er selbst sagte einmal, dass er keine Last sein will und sich dem Befreiungskampf angeschlossen hat, um Lasten zu schultern. An diese Aussage hielt er sich und teilte in allen Bereichen des Lebens die Lasten seiner Weggefährt:innen.
Rêdûr Sîser kehrte als Guerillakommandant und opferbereiter apoistischer Militanter an seinen Geburtsort zurück und kämpfte mit großem Selbstvertrauen und Eigeninitiative. Seine Führungsstärke lag auch darin begründet, dass er Hindernisse nicht hinnahm und Probleme in jeder Situation zu lösen wusste. Trotz seiner erfolgreichen Praxis neigte er nicht zu Selbstzufriedenheit und wollte immer noch mehr erreichen. Die HPG beschreiben seine Haltung als dem Leben eines Derwisch ähnlich. Er war selbstlos und bescheiden und wurde von seinen Mitkämpfer:innen geliebt und geachtet. Bei der Militäroperation in Garzan trotzte er fast einen Monat der türkischen Armee, die als zweitgrößte Armee der NATO gilt. In seinem letzten Gefecht am 27. Juli kämpfte er trotz seiner Verwundung stundenlang, so die HPG: „Er zeigte eine opferbereite Haltung und schloss sich der Karawane der Gefallenen an. Hevalê Rêdûr verkörpert den erhabenen Widerstandsgeist der PKK und geht in die Geschichte unseres Kampfes ein als ein Held, der dem Feind mit seiner Opferbereitschaft Furcht einflößt.“