Hohe Haftstrafe für Ko-Bürgermeisterin von Sûr gefordert

In Amed ist der Prozess gegen die abgesetzte Ko-Bürgermeisterin von Sûr, Filiz Buluttekin, fortgesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren.

In der nordkurdischen Metropole Amed (türk. Diyarbakir) ist am Montag der Prozess gegen die frühere Ko-Bürgermeisterin des Altstadtbezirks Sûr, Filiz Buluttekin (HDP), fortgesetzt worden. Die Anklage wirft der Politikerin „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vor und fordert eine Haftstrafe zwischen siebeneinhalb und fünfzehn Jahren. Buluttekin war im September 2019 auf Anordnung des türkischen Innenministeriums abgesetzt und drei Monate später verhaftet worden. Im vergangenen Juni wurde sie aus der Untersuchungshaft entlassen.

Beim vierten Verhandlungstag vor der 11. Strafkammer am Schwurgerichtshof in Amed führte Buluttekins Anwalt ins Feld, dass die Anklage gegen seine Mandantin auf den Aussagen eines „anonymen Zeugen“ beruhe, den bis auf die Staatsanwaltschaft bislang niemand zu Gesicht bekommen habe. Der Jurist zweifelte die physische Existenz des Belastungszeugen an und forderte Freispruch für Buluttekin. Das Gericht vertagte sich auf den 22. Februar 2021.

Die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakir beschäftigt sich hauptsächlich mit politischen Aktivitäten von Buluttekin. So wird der Politikerin unter anderem ihre Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung für Vedat Aydın zum Vorwurf gemacht. Der Provinzverbandsvorsitzende der HEP in Amed wurde 1991 von der türkischen Konterguerilla entführt und extralegal hingerichtet. Buluttekin habe für Aydın „eine Schweigeminute eingelegt und eine Ansprache in einer nicht verständlichen Sprache (gemeint ist Kurdisch, Anm. d. Red.) gehalten” – laut Auffassung der Behörde stelle dies eine Straftat dar.

Außerdem werden Buluttekin fiktive Trauerreden auf Beerdigungen, der Besitz von legalen Büchern, die Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen, „bei denen Parolen zugunsten Abdullah Öcalans und der PKK fielen”, die Teilnahme an einem Symposium zur kurdischen Sprache und Protesten gegen die Ernennung von Zwangsverwaltern in HDP-geführten Kommunen, Besuche bei der HDP-Abgeordneten Leyla Güven und Beiträge des offiziellen Accounts ihrer Partei beim Kurznachrichtendienst Twitter vorgeworfen. Der vermeintliche Kronzeuge im Prozess gegen Buluttekin, der lediglich als „Firar” angegeben wird, behauptet, die Mutter eines elfjähriges Kindes habe Anweisungen von „Mitgliedern der Organisation” (gemeint ist die PKK) erhalten.