Heftanîn: Konflikte zwischen türkischer Armee und Dorfschützern

Der Druck der Guerilla auf die türkische Armee ist hoch. Es kommt zu immer mehr Konflikten zwischen sogenannten Dorfschützern und der Armee.

Seit dem 17. April versucht die türkische Armee, mit Bodentruppen in den Medya-Verteidigungsgebieten in Südkurdistan vorzurücken. Dabei wird sie von der südkurdischen PDK unterstützt. Die Guerilla leistet nicht nur in den angegriffenen Regionen Zap, Metîna und Avaşîn Widerstand, sondern kämpft auch in Nordkurdistan. Bei einem Gefecht am 30. April starben acht türkische Soldaten am Berg Cûdî. Während die türkische Armee in der südkurdischen Zap-Region feststeckt, startete sie auch in den nordkurdischen Bergregionen Cûdî, Gabar und Besta Operationen. Gleichzeitig kam es zum Versuch, mit einem Alternativplan in Heftanîn einzufallen. Auch dieser Plan scheiterte und mehrere Soldaten wurden getötet.

PKK greift gezielt Soldaten an“

Ein Bericht der Nachrichtenagentur Mezopotamya wirft ein deutliches Licht auf die Demoralisierung der türkischen Truppen. Ein Dorfschützer, der in Heftanîn eingesetzt wird, spricht von täglich steigenden Verlusten der türkischen Armee. Das Misstrauen zwischen den sogenannten Dorfschützern und der Armee nehme daher zu. Es komme immer wieder zu Streit. Er berichtet: „Wir bilden bei den Operationen die Vorhut. Wenn die PKK angreift, dann nimmt sie gezielt die Soldaten ins Visier. Deswegen vertrauen uns die Soldaten nicht. Sie fragen immer wieder, warum nicht auf uns geschossen wird, und sie beschimpfen uns. Früher gingen wir in Zivilkleidung auf Operationen, seit kurzem kleiden sie uns alle in militärische Tarnanzüge ein.“

Nach Gefechten werden die Dorfschützer schnell abgezogen“

Die Dorfschützer werden vor allem vorausgeschickt, um das Gelände zu erkunden. Der Dorfschützer berichtet: „Wir sind 100 bis 150 Meter voneinander entfernt. Wenn es irgendwo einen Kampf gibt, dann werden direkt danach alle Dorfschützer aus dem Gebiet abgezogen. Die Soldaten verbergen ihre Verluste vor uns. Sie sagen, die Dorfschützer würden diese Informationen durchsickern lassen. Aber wenn es zu Kämpfen kommt, dann haben sie Angst und schicken uns vor. Wenn Soldaten sterben, werden wir weggeschickt. Weder vertrauen wir den Soldaten noch die Soldaten uns.“

Die Offiziere fliehen“

Der Dorfschützer zeichnet ein desolates Bild der Armee: „Die Offiziere fliehen ohnehin. Die übrigen suchen nach Wegen, wie sie ebenfalls wieder herauskommen. Als die heftigen Kämpfe begannen, sind viele der Offiziere in Urlaub gegangen und bis heute nicht zurückgekehrt. Daher gibt es für diejenigen, die noch da sind, überhaupt keinen Urlaub mehr.“

Wer sind die Dorfschützer?

Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und unliebsame Oppositionelle eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil der Dorfschützer tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Als historisches Vorbild der Dorfschützer gelten die Hamidiye-Regimenter im Osmanischen Reich. Das heutige Dorfschützersystem ist 1985 entstanden, ein Jahr nach dem Auftakt des bewaffneten Kampfes der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Damals begann die türkische Regierung unter Turgut Özal damit, kurdische Stämme und Clans im Krieg gegen die PKK anzuwerben und zu bewaffnen. Tausende kurdische Dörfer, die das Dorfschützersystem ablehnten, wurden in den 1990er Jahren vom Staat niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.