Die türkische Armee hat für eine Militäroperation in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) eine bisher unbekannte Zahl an Dorfschützern in die für ihre Schwierigkeiten bekannten Regionen Gabar und Besta verlegen lassen. Die paramilitärischen Einheiten gehören dem Verband in Tivor bei Elkê (Beytüşşebap) an, mehrere sogenannte Dorfschützerchefs rückten bereits in den vergangenen Tagen in Stützpunkte an der Grenze zu Südkurdistan aus.
Hintergrund der Truppenmobilisierung ist eine Ausweitung der seit dem 24. April im Cûdî-Gebirge andauernden Operation gegen die Guerilla. Die Entscheidung zur Ausdehnung des Operationsgebiets war eine Reaktion des türkischen Verteidigungsministeriums auf erfolgreiche Aktivitäten der Guerilla. Bei Aktionen von Kämpferinnen und Kämpfern der YJA Star und HPG und Gefechten mit Operationseinheiten in den Cûdî-Bergen wurden in der letzten April-Woche mindestens acht Soldaten getötet, weitere sind verletzt worden.
Offiziell war in Ankara allerdings nur von zwei Verlusten die Rede. Dabei handelte es sich wohl um einen Leutnant der Militärpolizei und einen Stabsunteroffizier. Nach dem Vorfall hatten der türkische Innenminister Süleyman Soylu und Divisionsgeneral Aydoğan Aydın den verletzten Militärs einen Besuch im staatlichen Krankenhaus von Şırnak abgestattet.
Was sind Dorfschützer?
Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und unliebsame Oppositionelle eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil der Dorfschützer tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Als historisches Vorbild der Dorfschützer gelten die Hamidiye-Regimenter im Osmanischen Reich. Das heutige Dorfschützersystem ist 1985 entstanden, ein Jahr nach dem Auftakt des bewaffneten Kampfes der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Damals begann die türkische Regierung unter Turgut Özal damit, kurdische Stämme und Clans im Krieg gegen die PKK anzuwerben und zu bewaffnen. Tausende kurdische Dörfer, die das Dorfschützersystem ablehnten, wurden in den 1990er Jahren vom Staat niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.