In Mêrdîn (Mardin) finden fast täglich Festnahmen von Mitgliedern der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und ihrer Mitgliedspartei DBP (Partei der Demokratischen Regionen) statt. Bereits vor den Wahlen am 31. März hatte der Innenminister Soylu die HDP in Mêrdîn bedroht. Daraufhin wurden die Ko-Vorsitzenden des Provinzverbands, Eylem Amak und Ali Sincar, zusammen mit elf weiteren kurdischen Politiker*innen festgenommen. Nach zwölf Tagen verlängertem Gewahrsam wurde Ali Sincar inhaftiert, die anderen wurden unter Meldeauflagen freigelassen. Die Festnahmewelle dauerte auch in den letzten Wochen und Monaten an.
Drei Ko-Vorsitzende inhaftiert
Zuletzt wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Alaattin Semir Zuğurli und Sedat Ay aus dem Parteirat der HDP, die Ko-Vorsitzenden des Provinzverbands der DBP, Şehmus Sun und Leyla Bozkurt, festgenommen und inhaftiert. Bei der Operation wurden ebenfalls der Ko-Bürgermeister von Nisêbîn (Nusaybın), Ferhat Kut, die Ko-Bürgermeisterin von Bîsmil, Gülşen Özer, und das Stadtratsmitglied von Nisêbîn, Mehmet Emin Alkan, festgenommen. Alle erhielten Meldeauflagen. Gegen die Politikerinnen und Politiker wird wegen „Mitgliedschaft“ ermittelt.
Jede kritische Stimme soll zum Schweigen gebracht werden
Der HDP-Abgeordnete Tuma Çelik aus Mêrdîn betrachtet diese Operationen als Teil eines ausgefeilten Konzepts der Repression. Sie richte sich gegen alle Parteien, die Politik jenseits der hegemonialen Vorstellungen machen, und ziele darauf ab, ihre Arbeit lahmzulegen. „Alle Führungspersönlichkeiten und Mitglieder, welche die politische Arbeit der HDP am Laufen halten, sind Ziel eines ausgedehnten Angriffs. Die Türkei will verhindern, dass eine andere Politik und eine andere Stimme in der Türkei hör- und sichtbar sind“, so Çelik.
Auch andere Methoden der Repression werden praktiziert. Çelik nannte die Angriffe auf die Ko-Bürgermeisterin von Şemrex (Mazıdağı) Nalan Özaydın und die Stadtratsmitglieder als Beispiel. Vor den Augen der Polizisten hatte der AKP-Stadtrat Halit den Arm der Bürgermeisterin gepackt und bedrohte sie unter Beschimpfungen mit seiner Waffe. Daraufhin schritten Polizisten ein und entwaffneten den AKP-Politiker, der mit Unterstützung von Verwandten weiter auf die Bürgermeisterin und die anderen HDP-Mitglieder losging. Çelik sagt dazu: „Obwohl das AKP-Stadtratsmitglied Drohungen und Beleidigungen ausstieß, wurden unsere Parteimitglieder festgehalten und verhört. Man ermittelt gegen die Opfer des Angriffs und versucht sie festzunehmen.“
Der Staat will Mêrdîn homogenisieren
„Mêrdîn ist eine multikulturelle, multilinguale, multireligiöse und multiethnische Stadt“, erklärt Çelik weiter. „In dieser Stadt leben Kurd*innen, Suryoye, Ezid*innen, Mahalmi und Türk*innen zusammen. Das haben wir in Mêrdîn zum Zentrum unserer Politik gemacht. Sowohl in Bezug auf die Abgeordneten, den Vorstand des Provinzverbands als auch in der Stadtverwaltung war dies unser Schwerpunkt. Wir wollen die ganze Türkei zu einem Mêrdîn machen. Der Staat will das Gegenteil, er will Mêrdîn homogenisieren und sein monistisches Selbstverständnis durchsetzen. Die Angriffe hängen damit zusammen. Weil sich unsere Partei dagegenstellt, werden sie und ihre Mitglieder bedroht. Innenminister Soylu hat die Partei und unsere Mitglieder direkt ins Fadenkreuz genommen. Danach begannen die Angriffe.“
Die Bevölkerung wird die entsprechende Antwort geben
Der HDP-Abgeordnete schließt mit den Worten: „In der Vergangenheit hatte es bereits ähnliche Angriffe gegeben. Es kann noch soviel Repression ausgeübt werden, die Bevölkerung von Mêrdîn hat sie immer in seinem Kampf zurückgeschlagen. Sollen sie angreifen mit welcher Methode sie auch wollen, unsere Bevölkerung wird die passende Antwort geben.“