Am 15. November 1937 wurden die Eliten des Widerstands gegen die Türkisierung von Dersim hingerichtet: Seyit Riza, der geistliche und tribale Vordenker des letzten großen Aufstands der Kurdinnen und Kurden nach Gründung der türkischen Republik, sein Sohn Resik Ûşen und seine fünf Weggefährten Wusênê Seydi, Aliye Mirzê Sili, Hesen Ağa, Fındık Ağa und Hesenê Ivraimê. Die Todesurteile waren zuvor in einem Schauprozess in Xarpêt (tr. Elazığ) beschlossen worden, zur Durchführung hatte Ankara den späteren Außenminister der Türkei, İhsan Sabri Çağlayangil, als Sonderbeauftragten in die Provinz entsandt. Das fliegende Gericht tagte in einem Kinosaal, das Publikum musste wie bei einer Filmvorführung eine Eintrittskarte kaufen. Um die Hinrichtungen vollstrecken zu können, war das Alter des minderjährigen Resik Ûşen heraufgesetzt worden. Der 75-jährige Seyit Riza wurde vom Gericht fünf Jahre jünger gemacht.
Die Körper der Hingerichteten wurden in Xarpêt zunächst zur Schau gestellt, bevor sie an einem unbekannten Ort vergraben wurden. Bis heute ist nicht bekannt, wo die Gebeine begraben liegen. In seinen Memoiren hielt Çağlayangil fest: „Als Seyit Riza die Galgen sah, verstand er. ‚Ihr werdet mich hängen‘, sagte er, und drehte sich zu mir um. ‚Bist du aus Ankara gekommen, um mich zu hängen?‘ Wir schauten uns an. Zum ersten Mal stand ich einem Menschen, der hingerichtet werden sollte, von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er lachte. Der Staatsanwalt fragte, ob er beten wolle. Er lehnte ab. Wir fragten nach seinen letzten Worten. ‚Ich habe noch vierzig Lira und eine Uhr, gebt die meinem Sohn‘, sagte er. In dem Moment wurde Fındık Hafiz gehängt. Zweimal riss der Strick. Ich stand vor dem Fenster, damit er nicht sehen konnte, wie Fındık Hafiz gehängt wurde. Die Hinrichtung Fındık Hafiz‘ war zu Ende. Wir brachten Seyit Riza zum Richtplatz. Es war kalt. Niemand war da. Aber Seyit Riza sprach in die Stille und Leere, als ob der Platz voller Menschen sei. ‚Wir sind Kinder Kerbelas. Wir haben nichts verbrochen. Es ist eine Schande. Es ist grausam. Es ist Mord.‘, sagte er. Es überlief mich eiskalt. Dieser alte Mann ging schnellen Schrittes und schob den Zigeuner beiseite. Er legte sich den Strick um, trat den Stuhl weg und vollstreckte sein eigenes Urteil.“
In Dersim selbst versammelte sich die Bevölkerung zum Gedenken an der großen Seyit-Riza-Statue am Eingang der Altstadt. Um 19:37 Uhr wurden Kerzen gezündet und Gebete gesprochen, der Sänger Raber Diler sang Klagelieder.
Die Ungebrochenheit von Seyit Riza hat ihn zu einer Identifikationsfigur für den aufrechten Gang werden lassen. Zum 84. Todestag gedachten alevitische Kurdinnen und Kurden heute weltweit der Eliten des Dersim-Widerstands, der mit der gewaltsamen Niederschlagung endete. Für die Dersimerinnen und Dersimer erhält der Genozid von 1937/38 mit mindestens 70.000 Toten und tausenden Deportierten und Vertriebenen eine ähnlich große Bedeutung wie der Völkermord von 1915 für die armenische Gesellschaft. Keine Familie und kein Dorf blieben von den Verbrechen durch das türkische Militär verschont. Und kein anderes Thema hält die Menschen als Schicksalsgemeinschaft heute so fest zusammen.
Gedenken in Istanbul