„Demokratisierung des Iran bedeutet Befreiung Kurdistans“
Mezlûm Heften vom Rat der ostkurdischen Freiheitsbewegung PJAK beschreibt die Situation des Freiheitskampfes in Rojhilat und im Iran.
Mezlûm Heften vom Rat der ostkurdischen Freiheitsbewegung PJAK beschreibt die Situation des Freiheitskampfes in Rojhilat und im Iran.
Die „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“ (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), kämpft mit ihren bewaffneten Einheiten für eine Demokratisierung des Iran und eine Selbstverwaltung Ostkurdistans (Rojhilat). Mezlûm Heften ist Mitglied im Rat der PJAK und spricht im ANF-Interview über die Situation im Iran und Ostkurdistan. Wie in den anderen Teilen Kurdistans tritt die Freiheitsbewegung auch im Iran für eine Demokratisierung des ganzen Landes und einen gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten ein.
„Weg zur Freiheit führt über vereinten Kampf“
Entsprechend erklärt Heften: „Wir sind davon überzeugt, dass die Befreiung Kurdistans über die Demokratisierung des Irans stattfinden wird. Ohne Zweifel ist auch der Umkehrschluss richtig. Es ist elementar notwendig, dass sich alle Unterdrückten im Iran vereinen. Durch eine gemeinsame Front wird der Gesellschaft Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit gebracht werden. Der Weg zur Freiheit der kurdischen, belutschischen, arabischen, aserbaidschanischen, sunnitischen und Bahai-Bevölkerung wie auch zur Freiheit der Frauen und Werktätigen führt über den gemeinsamen, vereinten Kampf.“
„Mullah-Regime unterscheidet sich nicht von Vorgängerregimen“
Unseren Beobachtungen zufolge hält die Repression im Inneren des Iran weiter an, während die USA versuchen, ihre Beziehungen zum Mullah-Regime zu normalisieren. Gibt es angesichts dessen Bemühungen, eine gemeinsame Widerstandsfront aufzubauen?
Im Iran hat der Kolonialismus eine Staats- und Machttradition, die bis tief in die Geschichte zurückreicht. Der andauernde Kolonialismus wurde den Bedürfnissen der Zeit immer wieder angepasst und baut heute auf der Grundlage des Nationalismus und religiösen Fundamentalismus auf. Manchmal tritt der Nationalismus in den Vordergrund, manchmal der Fundamentalismus und manchmal eine Synthese aus beidem. Obwohl das Regime im Laufe der Geschichte ständig sein Gewand änderte und neue Etiketten kreierte, galt dies nicht für seine Inhalte. Die Mentalität ist stets die gleiche geblieben. So betrachtet unterscheidet sich das Mullah-Regime nicht von den alten Regimen.
„Problem ist für alle im Iran das Gleiche, daher braucht es eine gemeinsame Lösung“
Die Probleme, mit denen die Völker und Gemeinschaften des Iran konfrontiert sind, werden durch diese Regime verursacht. Denn das Regime versucht, die Gesellschaft auf der Grundlage von Assimilation und Integration zu organisieren. Diese Mentalität und Herangehensweise gilt für alle Gesellschaftsschichten, auch wenn sie je nach Bedingungen und Bedürfnissen eine stärkere oder schwächere Gestalt annimmt. So wurde die Dosis der Gewalt in den Provinzen Kurdistan, Belutschistan und Chusistan erhöht. Das hat auch für die anderen Teile des Iran Auswirkungen. Ich möchte auf folgendes hinaus: Die Probleme der Völker und Gemeinschaften im Iran sind gleich, daher braucht es eine gemeinsame Lösung. Es ist elementar notwendig, dass sich alle Unterdrückten im Iran vereinen. Durch eine gemeinsame Front wird der Gesellschaft Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit gebracht werden. Der Weg zur Freiheit der kurdischen, belutschischen, arabischen, aserbaidschanischen, sunnitischen und Bahai-Bevölkerung wie auch zur Freiheit der Frauen und Werktätigen führt über den gemeinsamen, vereinten Kampf. Daher wird die Schaffung einer demokratischen Front, die alle Gemeinschaften vertritt, das Regime zu einem radikalen Wandel zwingen.
„Ziel ist Vereinigung auf der Grundlage eines freien Lebens“
Als apoistische Bewegung in Ostkurdistan haben wir uns diesen Realitäten entsprechend eigene Ziele gesetzt. Lange Zeit haben wir bereits daran gearbeitet und versucht, die Einheit der Kurden und Kurdistans und der Gemeinschaften im Iran zu schaffen. Wir sind davon überzeugt, dass die Befreiung Kurdistans über die Demokratisierung des Irans stattfinden wird. Ohne Zweifel ist auch der Umkehrschluss richtig. Unser Ziel ist es, uns auf der Grundlage eines freien Lebens zu vereinen, indem wir im Kampf für ein Leben nach dem Paradigma der demokratischen Nation und des demokratischen Konföderalismus Erfolg haben. Wir befinden uns im Moment auf einem wichtigen Abschnitt dieses Weges.
„Es ist nicht einfach, eine demokratische Front aufzubauen“
Sehen die anderen Kräfte ebenfalls die Notwendigkeit der Bildung einer gemeinsamen Front?
Staat und Regierung verhindern, um die Ausbeutungsordnung aufrecht zu erhalten, die Bildung der Gesellschaft. Sie werden eine Organisierung niemals zulassen. Sie versuchen die Gesellschaft zu spalten und die Menschen nach Nationalität, Konfession, Glauben, Sprache und Dialekt gegeneinander auszuspielen. So versucht das Mullah-Regime, die Gesellschaft unter Kontrolle zu halten. Diese Mentalität und Politik haben zweifellos psychologische und soziologische Auswirkungen auf die Gesellschaft gehabt, so dass es nicht einfach ist, eine demokratische Front zu etablieren, aber es ist möglich.
Manche Kreise sind sich der Bedeutung dieser Phase bewusst und gehen sensibel vor. Auf der anderen Seite denken einige jedoch kurzfristig und schaffen sogar noch Hindernisse, um die von mir angesprochene Vereinigung aufzuhalten. Während viele Menschen diese Idee auf der theoretischen Ebene befürworten, läuft es in der Praxis sehr zäh. Das muss überwunden werden.
„Wir dürfen Belutschistan nicht allein lassen“
Warum finden im Moment die Angriffe in Belutschistan statt? Was sollen die Menschen im Iran und Ostkurdistan diesbezüglich unternehmen?
Die veröffentlichten Bilder aus Belutschistan, wie unschuldigen Menschen vom Regime ins Visier genommen und abgeschlachtet werden, sind die deutlichsten Belege für die Mentalität des iranischen Kolonialregimes. Was passiert, ist die Fortsetzung der anhaltende Politik der Vernichtung und Verleugnung, die das Regime den Völkern und Gemeinschaften im Iran seit Jahren auferlegt. Das iranische Regime will durch Assimilation und Integration seine absolute Herrschaft herstellen. Es hungert die Menschen aus, nimmt ihnen die Arbeit und übt jede nur vorstellbare Repression aus, um die Gesellschaft zu unterwerfen. Das ist es, was heute in Belutschistan, Kurdistan und Chusistan passiert. Die Denkweise, die andere Ideen daran hindert zu atmen, ist die gleiche wie die, die Kolber (Träger im Grenzhandel) mit Kugeln durchsieben lässt. Verschiedenste Teile der Gesellschaft werden als „Ungläubige“, „Atheisten“ oder „Terroristen“ gebrandmarkt und hingerichtet.
Ein weiterer Grund für die Massaker in Belutschistan ist, dass das iranische Regime große Angst hat, da es einen heiklen und instabilen Prozess durchläuft und deshalb sein Leben durch Methoden der Unterdrückung und Gewalt verlängern will.
Es ist eine moralische, menschliche und soziale Pflicht, sich für die Menschen in Belutschistan einzusetzen und gegen die Verfolgung und das Unrecht Stellung zu beziehen. Schweigen bedeutet unserer Meinung nach nicht weniger als Komplizenschaft. Was heute in Belutschistan geschieht, wird in der kommenden Phase allen Gemeinschaften im Iran passieren, und wir dürfen Belutschistan nicht allein lassen.
„Wir befinden uns in der Endphase des Dritten Weltkriegs“
In den letzten Tagen gab es eine Konferenz für eine kurdische Einheit in Bezug auf Ostkurdistan. Was ist ihre Bedeutung?
An der Front herrscht ein unerbittlicher Krieg. Wir durchleben eine sehr sensible Phase. Wir befinden uns tatsächlich in der Endphase dessen, was wir den Dritten Weltkrieg nennen. Diese Definition gilt am meisten für unser Land Kurdistan. Dort zeigt sich der Dritte Weltkrieg auf blutigste Weise. Deswegen muss unsere Vorbereitung und Organisation im Einklang mit dem Wesen dieser Phase sein. In dieser Hinsicht ist der Aufbau einer kurdischen Einheit von noch größerer Bedeutung. Im 20. Jahrhundert war der Prozess zwischen 1914 und 1925 sehr kritisch. Aufgrund der Spaltung konnten die Kurden die Situation nicht nutzen. Dies führte zu fast hundertjährigem Leid und Schmerz. Jetzt durchlaufen wir einen ähnlich kritischen Prozess. Wir als Volk sollten diesen Prozess mit einem Ansatz angehen, den Rêber Apo [Abdullah Öcalan] als den „kurdischen Geist“ bezeichnet hat. Emotionale, nepotistische, stammes- oder parteibezogene oder jegliche anderen zu eng angelegte Ansätze werden neue Massaker und Katastrophen für uns im neuen Jahrhundert bringen. Daher ist die Arbeit der kurdischen Einheit in dieser Zeit von historischer Bedeutung und die Geschichte wird zweifellos diejenigen zu würdigen wissen, die dafür kämpfen. Das Volk und die Geschichte werden denen, die sich gegen sie stellen und sie behindern, nicht vergeben.
„Beteiligung an der Konferenz war nicht der Phase angemessen“
In diesem Sinne ist die Konferenz für eine kurdische Einheit in Ostkurdistan von großer Bedeutung, sie steigert die Moral und die Hoffnung der Menschen. Obwohl ein gewisses Maß an Beteiligung erreicht wurde, befand sie sich nicht auf einem der Phase angemessenen Niveau. Meiner Meinung nach sollte die Bevölkerung jetzt selbst aktiv werden und die Parteien, Organisationen, ihre Vertreter und Anführer nach Rechenschaft fragen. Wenn dies geschieht, dann wird sich die Situation ändern und es werden Ergebnisse erzielt.
„Bevölkerung muss die Kräfte, die die Einheit verhindern, zur Rechenschaft ziehen“
Die Arbeit an einer kurdischen Einheit betrifft alle. Wenn sie auf einige Parteien und Organisationen beschränkt bleibt, kann es keine Ergebnisse geben. Daher bedarf es eines allgemeinen Willens und einer gesellschaftlichen Haltung, um die kurdische Einheit gewährleisten. Beispielsweise sollten die Parteien, Organisationen und Institutionen, die nicht an der Arbeit zur kurdischen Einheit teilnehmen und sie behindern, zur Rechenschaft gezogen werden. Die Menschen müssen sich diesen Gruppierungen entgegenstellen. Denn in dieser Hinsicht ist eine klare und gesellschaftliche Position erforderlich.