Colemêrg: Von Zwangsverwaltern zur Ruinenstadt gemacht

Die Widerstandshochburg Colemêrg ist umgeben von Militärstützpunkten und Staudämmen. Während die AKP/MHP-Regierung Unsummen in die Aufrüstung der Region investiert, wird der unter Zwangsverwaltung gestellte Ort zur Ruinenstadt.

Hoch in den nordkurdischen Bergen, in der Nähe der irakischen und iranischen Grenze, liegt die nordkurdische Provinzhauptstadt Colemêrg (türk. Hakkari). Colemêrg ist eine der Hochburgen der Demokratischen Partei der Völker (HDP). Die Stadt steht praktisch seit 2015 mit kleiner Unterbrechung nach den Kommunalwahlen 2019 unter staatlicher Zwangsverwaltung.

Unter der ersten Zwangsverwaltung zwischen 2015 und 2019 wurden der Bevölkerung praktisch keine Dienstleistungen mehr zur Verfügung gestellt, Fraueneinrichtungen wurden geschlossen und alle anderen von der Partei der Demokratischen Regionen (DBP) geschaffenen Angebote für die Bevölkerung eingestampft. Die ohnehin von bitterer Armut und Arbeitslosigkeit sowie massiven infrastrukturellen Problemen geprägte Stadt erfordert auch aufgrund ihrer geographische Lage besondere Aufmerksamkeit. Innerhalb der Kleinstadt ist ein Höhenunterschied von 1000 Metern zu überbrücken. Massive Regen- und Schneefälle sowie brütende Hitze machen permanente Pflege und Ausbau der Infrastruktur notwendig. Doch bereits unter der ersten Zwangsverwaltung geschah nichts, im Gegenteil, die Stadt verfiel immer mehr zu einer Ruinenstadt.

Nach vier Jahren Zerstörung durch die Zwangsverwaltung fanden am 31. März 2019 erneut Kommunalwahlen statt. Obwohl der türkische Regimechef gedroht hatte, bei einer Wiederwahl der HDP erneut einen Zwangsverwalter einzusetzen, stimmten trotz der Präsenz zehntausender Soldaten und Beamte und massivem Wahlbetrug 60,91 Prozent der Wähler*innen erneut für die HDP und erteilten damit der AKP eine deutliche Absage. Sechs Monate konnte die HDP in Colemêrg regieren. In dieser Zeit wurden durch die Zwangsverwaltung zerstörten Straßen repariert, Straßen wurden asphaltiert, Schutthaufen beseitigt und ein Zugang zu sauberem Trinkwasser geschaffen. Colemêrg wurde binnen drei Monaten zu einer sauberen Stadt. Doch der Fortschritt währte nicht lange, denn am 18. Oktober 2019 machte Erdoğan seine Drohung wahr und verhängte erneut eine Zwangsverwaltung über die Stadt. Wieder wurden alle Dienstleistungen eingestellt und die Stadt begann erneut zu verfallen.

Stadt dem Verfall überlassen

Die Stadt wird dem Verfall überlassen. In den Sommermonaten sind viele Wege aufgrund des Staubs kaum passierbar. Die tiefen Schlaglöcher in den Hauptverkehrsstraßen erschweren den Verkehr massiv. Mit dem Regen verwandelt sich das Stadtzentrum in einen Sumpf. So können Autos kaum passieren und sogar das Laufen entlang der Straßen ist praktisch unmöglich geworden. Trotz Protesten wurde bisher nichts unternommen. Dienstleistungen der Stadtverwaltung stehen allein den Besatzungstruppen von Militär und Polizei zur Verfügung. Der Zwangsverwalter setzt alle Mittel ein, um die Straßen zu den Kasernen und Militärbasen in gutem Zustand zu halten und weiter auszubauen.

Menschen in Colemêrg erklären gegenüber ANF: „Alle Straßen sind kaputt. Das sieht auch der Zwangsverwalter, aber er macht nichts. Er hat unsere Stadtverwaltung nicht besetzt, um den Menschen zu dienen, sondern um zu zerstören. Wir als Menschen in Colemêrg sehen das deutlich. Der Zwangsverwalter ist gegen unseren Willen hier. Wir wollen ihn hier nicht. Die Stadtverwaltung muss den vom Volk gewählten Vertretern übergeben werden.“