Bedlîs: Dutzende Festnahmen bei illegaler Räumung von Geschäftsvierteln

In Bedlîs sind mindestens 70 Personen bei einer illegalen Räumung von Geschäftsgebäuden festgenommen worden. Auch der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer wurde im Rahmen der Maßnahme auf Grundlage eines Prädisialdekrets von der Polizei abgeführt.

In der nordkurdischen Provinz Bedlîs (tr. Bitlis) sind mindestens 70 Personen bei der illegalen Räumung von Geschäftsgebäuden festgenommen worden. Durchgeführt wurde die Festnahmewelle in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf Grundlage eines Präsidialdekrets, die Polizei ging mit massiver Gewalt vor. Auch der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer in Bedlîs, Davut Tezcan, ist festgenommen worden.

Recep Tayyip Erdoğan hatte im April vergangenen Jahres mehrere Bezirke in Bedlîs zu gefährdeten Regionen deklariert, rund 700 Gebäude sollen deshalb „zur Reduzierung des Katastrophenrisikos“ abgerissen werden. Bei einer Vielzahl der betroffenen Bauten handelt es sich um kleine traditionelle Läden. Da Bedlîs seit geraumer Zeit als teures Spekulationsland im Zentrum des Interesses profitgieriger Immobilienhaie liegt, glaubt kaum jemand aus der Bevölkerung, dass ganze Stadtbezirke gefährdet sein sollen. Vielmehr geht man davon aus, dass die Gebäude abgerissen werden sollen, um Platz für neue Bauflächen zu schaffen.

Zahlreiche Besitzer:innen reichten deshalb Nichtigkeitsverfahren beim Staatsrat ein, der das Dekret für unwirksam erklärte. Mit dieser Entscheidung schob das mit dem deutschen Bundesverwaltungsgericht vergleichbare Gericht der Räumung zwar einen Riegel vor, aber die für den Abriss zuständigen Behörden blieben unbeeindruckt. Die Eigentümer:innen wurden aufgefordert, ihre Geschäfte bis zum 30. Juli freiwillig zu räumen.

Gegen die, die sich weigerten, der Anordnung zu folgen, erzwang die Polizei die Herausgabe der Geschäfte unter Gewaltanwendung. Mehrere Personen wurden durch den Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen verletzt, die genaue Anzahl ist noch unklar. Die Polizei begründet die Festnahmen mit „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Wie viele Personen insgesamt festgenommen worden sind, war bis zum Nachmittag nicht bekannt.